Zwei große Weltkriege beherrschten mit den Folgen die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts .
Die neue Schule von Holtgast Die alte Schule aus dem Jahre 1861 platzte ja schon seit vielen Jahren aus allen Nähten. Dennoch bedurfte es einer Verfügung der königlichen Regierung aus dem Jahre 1899 bis man sich bequemte, eine Abhilfe zu schaffen. Nach heutigen Maßstäben ist es sicher unvorstellbar, dass in dem für 70 Schüler ausgelegten Klassenraum der "Alten Schule" über viele Jahre hinweg 100 Schüler und mehr von einem einzigen Klassenlehrer unterrichtet wurden. Dies muss der Lehrer auch noch ganz ordentlich hinbekommen haben, denn nur so ist zu verstehen, weshalb sich der Schulvorstand und die Gemeinde- vertretung in den Folgejahren so schwer taten, den Kindern und Lehrern ein verbessertes Schulangebot zu bieten. Die Einweihung der neuen Schule im Jahre 1903 war jedoch für die Gemeinde ein großes Ereignis. Denn nun hatte man für einige Jahre eine ordentliche Unterrichtungsmöglichkeit für die Schüler des Ortes geschaffen. Im Jahre 1908 wurden dann auch die Schüler aus dem Bereich des Mühlenstrichs, östlich des Klostertiefs mit aufgenommen, die bis dahin in Esens zur Schule gingen. Zuvor waren die Eltern der Schulgemeinde Holtgast beigetreten. Aber die Schülerzahl wuchs weiter und damit kamen neue Probleme. Auch in diesem Jahrhundert gab es wieder einige schwere Sturmfluten Dabei wirkte sich die Flut vom 27. bis zum 28. 1. 1901 vor allem an der Ems aus und Leer wurde damals überflutet. 1906 gab es eine weitere schwere Sturmflut, bei der vielerorts an der Nordseeküste die bislang höchsten Wasserstände gemessen wurden. Die durchschnittliche Fluthöhe betrug diesmal 3,92 m über NN. Bei Weener brach der Emsdeich. Eine weitere schwere Sturmflut ereignete sich am 16.2.1916 an der Nordseeküste und in der niederländischen Zuidersee. Dies war der Anlass dafür, dass die Niederländer 1926 einen Abschlussdeich bauten, mit dem seither das Ijsselmeer von der Nordsee getrennt wurde. Ostfriesland hatte diesmal keine Sturmflutschäden zu beklagen. Das Leben im ländlichen Holtgast war am Beginn des 19. Jahrhunderts sehr erträglich. In
unserer landwirtschaftlich strukturierten Gemeinde spielte sich das
Erwerbsleben überwiegend auf den Bauernhöfen
ab. Der größte Hof umfasste ca. 60 ha.. Weitere folgten mit mit 37, 30
und 20 ha und kleiner. Die meisten
Betriebe waren jedoch Warfstellen mit ca. 4 ha Land und mehr. Die
Erträge dieser Kleinbetriebe reichten für die Besitzer vielfach nicht
aus.
Darum halfen sie sie größeren Bauern bei der Erntearbeit gegen
Naturalleistungen oder Pferdearbeiten auf ihrem Grund und Boden. Andere landwirtschaftliche Arbeiter
gingen in die Marsch um dort zusätzliche Arbeiten zu finden. Diese Lebensweise setzte sich auf den Höfen bis in die fünfziger Jahre fort - auch wenn die Zahl der Bediensteten mit der fortschreitenden Mechanisierung in der Landwirtschaft abnahm. Mehrere Bewohner des Ortes fanden als Beamte und Angestellte an der Eisenbahn Lohn und Brot oder hatten ein Handwerk erlernt. So wohnten in den Folgejahren 3 Schuhmacher, mehrere Zimmermeister, 1 Malermeister, 1 Haus- schlachter, 1 Tischlermeister 1 Steinsetzer und 1 Zementwarenhersteller in unserem Dorf . Außerdem gab es 2 Bäckereien, 2 Krämerläden und 2 Gastwirtschaften, die für das leibliche und gesellige Wohl der Dorfbewohner sorgen. Die Klostermühle, die die Jahreszahl 1684 trug, malte das nötige Mehl. Aber auch aus den Nachbardörfern boten die Müller ihr Mehl und die Bäcker ihr Brot an. Auch das gesellschaftliche- und das Vereinsleben entwickelte sich in unserer Gemeinde sehr positiv. Nachdem man von der Holtgaster Reichsbahn-Haltestelle aus ab 1913 auch noch die weite Welt erreichen konnte, herrschte eine große Zufriedenheit in unserem Ort. Mitten in diese dörfliche Idylle kam 1914 die Nachricht vom Ausbruch des großen Krieges. Die Geschehnisse der Folgezeit habe ich weitestgehend der Chronik unsers Dorfschullehrers Johann Becker entnommen, der nach einer schweren Kriegsverwundung von 1917 bis 1956 unsere Schule leitete und als Zeitzeuge die Geschehnisse aus diesen Jahren in einer leider nicht mehr vollständigen Chronik festgehalten hat. Als erstes erlebte er dabei in unserer Gemeinde den Brand des Hofes "Marienkamp" im Jahre 1917. Doch nun zunächst zu den Ereignissen des 1. Weltkrieges, die Anfangs noch eine große Euphorie auslösten. Ein Holtgaster Junge geriet als erster dieses Krieges überhaupt, in französische Gefangenschaft. Von
den 63 Kriegsteilnehmern, die aus unserem Dorf eingezogen wurden, geriet Frerich Peters, am 2. August 1914 auf der
ersten Offizierspatrouille der reitenden Jäger von Mühlhausen im
Elsass, nach einer Verwundung in französische Gefangenschaft. Im Laufe der nächsten vier Jahre forderten die kriegerischen Auseinandersetzungen viele Opfer an den Fronten dieses Krieges und in der Bevölkerung. Dabei kamen begüterte Bauern teilweise recht gut weg. Nicht nur das sie ihre Produkte zu hohen Preisen absetzen konnten, ihre Söhne waren vielfach vom Wehrdienst befreit worden, während andere die Last der Vaterlandsverteidigung zu tragen hatten. Das Kriegsende 1918 führte dazu, dass Kaiser Wilhelm II abdankte und Deutschland eine Republik wurde. Das Kriegsende ging mit der November-Revolution einher, die sich von Wilhelmshaven und Kiel ausgehend, sich über das ganze Land ausweitete. Überall wurden zunächst s. g. Soldaten-, Arbeiter- und Bauernräte eingesetzt aber der Spuk ging mit der Gründung der "Weimarer Republik" schnell vorüber. Unter der "Weimarer Republik" gab es auch bei uns eine wirtschaftliche Verschlechterung Die "Weimarer Regierung" musste für die Folgen dieses Krieges einstehen und dies führte zu großen wirtschaftlichen Problemen, die auch die Bürger unserer Gemeinde schmerzlich zu spüren bekamen. Noch viel schlimmer waren die Bewohner der großen Städte von dieser neuen Situation betroffen. Sie überfluteten das Land auf der Suche nach etwas Essbaren und die große Hamsterzeit begann. Diese Zeit ging einher mit einer Inflation die schon während des Krieges begonnen hatte und nun immer größere Auswüchse annahm. Viele Söhne unseres Dorfes glaubten in den Folgejahren nicht mehr an eine Verbesserung der Lebensbedingungen in unserem Land und folgten als Auswanderer vielfach Verwandte in die Vereinigten Staaten von Amerika, die dort schon vor Jahren eine neue Existenz gegründet hatten. 1921 trafen Schulvorstand und Gemeindeausschuss unverständliche Entscheidungen, unter denen die Schüler unseres Dorfes anschließend 44 Jahre lang zu leiden hatten. (nach Unterlagen des Nieders. Staatsarchivs in Aurich, StAA Rep. Nr. ) Konnte der Wittmunder Landrat Schramm 1921 noch mit einer Zwangsetatisierung erreichen, dass Schulvorstand und Gemeindeausschuss von Holtgast zumindest eine zweite Lehrerstelle einrichten mussten, damit die rund 100 Schüler des Dorfes nach den Standards der damaligen Zeit unterrichtet werden konnten - musste er doch zu seinem Bedauern hinnehmen, dass eben dieser Gemeinde- und Schulausschuss einer Schulerweiterung um eine 2. Klasse nicht zustimmte, obwohl dafür alle nötigen Planungen und Genehmigungen vorlagen und einer Finanzierung nichts mehr im Wege stand. Die Verantwortlichen unseres Dorfes um Ortsvorsteher Gerke Sj. Gerken nahmen finanzielle Vorbehalte zum Anlass, dies Projekt scheitern zu lassen. Sie sind im Grunde mit ihrer kurzsichtigen Denkensweise dafür verantwortlich, dass die Schulkinder unseres Dorfes anschließend 44 Jahre lang sowohl Vormittags wie auch Nachmittags unterrichtet werden mussten, obwohl die neue Klasse vor dem Hintergrund der damaligen Inflation den Gemeindehaushalt nur kurzfristig bis zur Währungsreform vom 15.11.1923 belastet hätte. Erst unter Bürgermeister Harm Frerichs wurde 1965 ein erneuter Versuch für einen Klassenanbau in Angriff genommen und umgesetzt. Von den "Goldenen Zwanzigern" nach der Währungsreform war in Holtgast nicht viel zu spüren. Die Währungsreform brachte einen kurzfristigen Aufschwung, nachdem ausländische Kapitalgeber in die deutsche Wirtschaft eingestiegen waren. Dies sollte sich aber spätestens nach der Weltwirtschaftskrise wieder sehr nachteilig ändern, als sie fluchtartig das Land verließe. Die Folge davon war noch größere Armut und riesige Arbeitslosigkeit. Dies führte zu einem Erstarken der rechts- und linksextremen Parteien bei den Wahlen. Das Land wurde in der Folgezeit praktisch unregierbar und verlor nach der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler seine demokratische Regierungsform. Holtgast während der NS Zeit Die Zeit zwischen 1933 bis 39 wird von unserem damaligen Ortschronisten Johann Becker als außerordentlich erfolgreich beschrieben. Neue Förderungsprogramme kurbelten die Wirtschaft an. Im Dorf herrschte eine rege Bautätigkeit und nach vielen wirtschaftlichen Rückschlägen der Jahre zuvor, sah man nun hoffnungsvoll in Zukunft. Natürlich waren längst nicht alle für die neuen Ideen zu begeistern. Aber selbst in den Fällen wo das Verständnis von den Befürwortern des NS Regimes für Andersdenkende hier und da fehlte, respektierte und arrangierte man sich und deshalb sind auch keine Konflikte aus dieser Zeit überliefert worden. Ein Judenproblem gab es alleine schon deshalb nicht, weil keine jüdischen Mitbürger in unserer Gemeinde wohnten. 1936 wird als besonders erfolgreiches Jahr beschrieben, denn nun bekamen Holtgast und Utgast endlich elektrisches Licht nachdem man zuvor eine Elektrizitätsgenossenschaft gegründet hatte. Stolz berichtet Becker auch von den ersten Rundfunkgeräten, mit denen man nun die Reden des Führers und sonstiger NS-Größen hören konnte. So erreichte die Nazi-Propaganda von da an auch unser Dorf. Besonders erfreulich war in diesem Jahr auch, dass Holtgast endlich einen richtigen Bahnsteig bekam, der morgens und abends sogar beleuchtet war. Entsprechend den Vorgaben der Regierung versuchte man sich im Anbau regenerativer Rohstoffe. Dazu wurden die letzten Brachlandstücke und selbst eine Fläche im Wald kultiviert und verbeugend für den Winter Torf gegraben. Becker berichtete in seinen Aufzeichnungen auch von den Konflikten in der Kirche. Welche Jugendorganisationen gab es in Holtgast (Hitlerjugend, BdM usw. ?) Der zweite Weltkrieg Auch wenn es den einen oder anderen vielleicht noch überraschte, kam es wie es kommen musste. Deutschland hatte seinen zweiten Weltkrieg und viele aus unserem Dorf wurden dazu einberufen.
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Fortsetzung 1951 bis 2000