Übersicht

Die Holtgaster Heimat-Geschichte

Schließen

 

Die Hamsterzeit nach 1914 - 18.  

Quelle:  "Beckerschen Dorfchronik" 

Johann Becker schrieb: "Dem landwirtschaftlichen Haushalt fiel das verhältnismäßig leicht, aber in der Stadt war das Hungergespenst ständig zu Gast. So fuhr man aufs Land, um Lebensmittel für Geld und gute Worte zu kaufen. Welche Ausmaße dieses „Hamstern“, wie es genannt wurde, annahm, ist kaum zu beschreiben. Holtgast wurde in erster Linie von den Wilhelmshavenern überschwemmt. Jeden Morgen kamen Hunderte mit dem 9-Uhr-Zug („dem Hamsterzug“) hier an, um gleich nach allen Richtungen hin in möglichster Eile auszuschwärmen und die Häuser abzulaufen. Der Hunger trieb die allermeisten dazu; aber diese armen Schlucker wurden an den Türen abgewiesen, weil sie nicht die enormen phantastischen Preise zahlen konnten. Dafür hatte bald jedes Haus einen festen täglichen „Hamsterer“ im wahrsten Sinne des Wortes, der die höchsten Preise mit lächelnder Mine zahlte, denn er war ja nur der Zuträger der reichen Kriegsgewinnler und erhielt noch einen viel höheren Preis wieder. Diese Art Leute wurden von der Polizei kaum gefasst, sie hatten ihre geheimen Wege und eine Routine drin erlangt, unbehelligt die Hamsterware an den Mann zu bringen.

Aber die wirklich Armen fielen sooft mit der Polizei herein. Wenn sie abends müde und abgekämpft mit einem Rucksack voll Lebensmittel die Heimreis antreten wollten, war die „Luft an der Bahn manchmal nicht rein“. Polizei stand auf der Lauer um ihre Opfer zu fassen. Dann verbarg man sich solange hinter Wällen und in Gräben, bis der Zug einlief, um in den letzten Moment noch auf den schon abfahrenden Zug aufzuspringen. War noch Zeit, dann schlich man sich auf geheimen Wegen über Stock und Stein, über Gräben, Stacheldraht und Wälle nach Esens hin; denn wenn die Polizei in Holtgast Wache stand, musste der Esenser Bahnhof wohl unbesetzt sein. Unstet und flüchtig wurden die Bedauernswerten durch die Gegend gehetzt, als wären sie die größten Verbrecher.

Man muss die Angst dieser Gehetzten erlebt und gesehen haben, man muss diese verhärmten Frauen und Mütter in sein Haus aufgenommen haben, dann erst wird man die Not der damaligen Zeit erkennen und verstehen können. Mit der Zeit hatte das Geld kaum einen Wert mehr".