Die Holtgaster Heimat-Geschichte |
Holtgast nach dem Kriegsende 1918. Quelle: "Beckersche Dorfchronik" |
Das
Kriegsende und die Nachkriegszeit Johann Becker berichtete in seiner Chronik: "Es kam das bittere Kriegsende 1918. Während das
Volk zu Grunde ging, mästeten sich die Aasgeier, hamsterten und wurden
„neureich“. Wer trug die Hauptschuld an diesen Zuständen? Das sahen
die wenigsten klar, vielmehr glaubten die den Verführern. Spartakus
trieb zügellos Mord und Brand. Unsere Gemeinde ist gottlob verschont
geblieben von den wilden roten Horden. Aber ein ehemaliger Mariner
setzte auch hier doch einen Bauern- und Arbeiterrat nach Moskauer Muster
ein. Nur sind dabei unsere braven Holtgaster Männer, meist
Frontsoldaten, nicht aus der Fassung gebracht worden, ganz zu schweigen
von den Frauen, die ihre liebe Not hatten den Tisch des Hauses zu decken". Ein neuer Anfang mit wirtschaftlich schwere Zeiten Johann Becker weiter: "Nach der Stabilisierung des Geldes musste man nun wieder von
vorne anfangen zu sparen. Das war schwer. Es gehörte ein großes
Vertrauen dazu und die Steuerlast war so hoch, dass sie die meisten erdrückte.
Für viele war das Sparen eine Unmöglichkeit, hatten sie doch bald gar
keine Arbeit- und Verdienstmöglichkeit mehr. Die Zahl der Arbeitslosen
stieg von Tag zu Tag. Wenn auch einmal eine Scheinblütezeit, wenigstens
für die Landwirtschaft, für eine kurze Zeit kam, weil die Regierung
große Anleihen im Ausland aufgenommen hatte, so wurden das Elend und
die Not doch bald wieder furchtbar groß, ja größer den je zuvor. Die Verschuldung einzelner Betriebe nahm zu, eine
Zwangsversteigerung folgte der anderen, bis wir 1932 vor dem größten
Abgrund standen und dem Bolschewismus Tür und Tor weit geöffnet waren.
Ich lasse hier folgen, was mir eine Mutter, eine „größere“
Bauersfrau mir erzählte: „Wir hatten schon lange unsere Steuern nicht mehr bezahlen
können. Der Gerichtsvollzieher kam und pfändete, was zu pfänden war.
Wir wussten nicht mehr aus noch ein. Kein Tier in unserem Hause, das
noch hätte verkauft werden können, kein Getreide, keine Früchte! Und
dabei war unsere nächste Pacht fällig. Woher sollten wir das Geld bloß
nehmen? Sollten wir die Schweine verkaufen, die eigentlich noch längst
nicht schlachtreif waren? Ja es musste sein! Und dann schnell mit dem
Geld zum Auktionator! Zu Hause hatte ich drei hungrige Kinder, sollte
ich ihnen nicht eine kleine Freude machen und ihnen eine Süßigkeit
mitbringen von Esens? Nein es ging nicht! Mit abgewandten weinenden
Mutteraugen bin ich an den Bäckerladen vorbei gerannt, um nichts zu
sehen; und dann schnell nach Hause. Ach es wollte mir das Herz brechen,
als ich die enttäuschten Blicke meiner armen Kindlein sah!“ Ja so traurig waren die wirtschaftlichen Verhältnisse teilweise auch schon in Holtgast. Ganze Scharen fuhren nach Esens um dort das wenige Stempelgeld in Empfang zu nehmen. Begüterte mieden diese bedauernswerten Arbeitslosen. Weil sie sie fürchteten. Sie verschlossen ihre Blicke vor der Not unserer Volksgenossen mit bewusster Absicht und verleumdeten und bekrittelten sie in abfälliger Weise". |