Die Missionierung der Friesen
Letzte Änderung: 09. Januar 2015
Helgoland, Insel der nordischen Götter?
Die Bezeichnung Friesland lässt sich am ehesten von „Frijas Land” also „Nachkommen der Freya” ableiten. (In der nordischen Mythologie heißt Freya „Frau”, „Herrin”, Freyja, Frea. Sie ist die schöne Göttin der Fruchtbarkeit, des Frühlings, des Glücks und der Liebe.) Neben Freya gab es viele Gottheiten, unter denen Forseti (der germanische Gott des Rechts und des Gesetzes, des Windes und des Fischfangs sowie Vorsitzender der Thing-Versammlung) eine herausragende Stellung innehatte.
Die imposanten und bizarren, roten Felsen und Schluchten der Insel Helgoland zur Seeseite hin haben die Friesen jener Zeit so stark beeindruckt, dass nach ihrem Glauben hier den Sitz germanischer Götter vermuteten.
Deshalb erhielt die Insel zunächst den Namen Forsetesland. Hier entsprang eine heilige Quelle, deren Wasser allenfalls schweigend geschöpft werden durfte. Hier weidete auch das geheiligte Vieh, das niemand ungestraft schlachten konnte.
Es dauerte viele Jahrhunderte, bis der christliche Glaube in friesische Gebiete vordrang. Es war wohl zuerst Willibrord, ein Angelsachse, der ab 677 zwei Jahre vergeblich versuchte die Region zu christianisieren. Nachdem jedoch der Friesenkönig Radbod im Jahre 689 von Pippin II in der Schlacht bei Duurstede besiegt worden war, fiel der südliche Teil von Friesland an die Franken. Dadurch wurde den Christen erstmals der Weg in einem Teil Frieslands eröffnet.
Daraufhin versuchte es W. im Spätherbst 690 erneut mit 12 Missionaren, Schreibern u. Handwerkern. Er begab sich zunächst zu König Radbod auf dessen Burg Wiltaburg bei Utrecht. Dort wurde er jedoch nicht empfangen. Daraufhin suchte der Missionar den Frankenfürsten Pippin auf und erbat sich weltlichen Schutz. Am 21. November 695 empfing er in der Peterskirche zu Rom die Bischofsweihe vom Papst Sergius I. und wurde zum Erzbischof der Friesen mit Sitz in Utrecht bestellt.
Unter dem Schutz des Frankenkönigs Pippin II unternahm W. viele Missionsversuche in die noch völlig heidnischen Gebiete des Nordens. Belegt ist auch eine Fahrt (wohl in den ersten Jahren des 8. Jh.) zu den friesischen Inseln und in das heutige Schleswig, meist als "Dänenfahrt" bekannt. Dort gelang es ihm, den berüchtigten Herrscher Ongendus zu treffen. Dabei hatte er jedoch keinen missionarischen Erfolg.
Auf der Rückfahrt geriet das Schiff des Missionars in einem Sturm und wurde auf eine Nordseeinsel verschlagen. Es war das Land der heidnischen Gottheit Forsetis. Dort entging W. nur knapp dem Tod, weil er einige Rinder des Heiligtums geschlachtet und Jünglinge an der heiligen Quelle getauft hatte.
Nachdem Pippin II im Jahre 714 verstorben war, gehörte Radbod mit zu den Verbündeten, die Karl Martell, einen Sohn des verstorbenen Fürsten, bei Köln besiegten und in den Kerker sperrten, um seine Nachfolge zu verhindern. Karl Martell konnte jedoch wieder fliehen und seine Gegner am 28. März 717 in der Schlacht bei Vincy besiegen. Er setzte sich von da an als neuer Herrscher des Fränkischen Reiches durch. Radbod zog sich in nördlichere Gebiete zurück und starb vermutlich 719 auf Helgoland. Der Sage nach soll er seine letzte Ruhe auf dem Radbodsberg (bei Dunum) oder dem Plytenberg bei Leer gefunden haben.
Unter Bonifatius traten viele Friesen zum Christentum über. Im Alter von etwa 80 Jahren zog es B. bekanntlich nochmals nach Friesland, an die Orte seiner ersten Missionarstätigkeiten. Dies wurde ihm und seinen Begleitern im Frühjahr 754 in der Nähe von Dokkum zum Verhängnis, denn am Morgen des 5. Juni wurden sie von einer bewaffneten Horde von Heiden überfallen und getötet. Die Nachricht vom Tod des Bonifatius verbreitete sich schnell und so brach wenige Tage nach dem blutigen Ereignis ein fränkisches Heer zu einer Strafexpedition gegen die Mörder auf. Neben den Leichen der Blutzeugen barg es auch ihre Habe, vor allem die zerstreuten Bücher. Die Leiche von B. wurde nach Fulda überführt und am 9. Juli 754 beigesetzt.
Liudger, ein gebürtiger Friese, kam um 785 auf die Nordseeinsel Forsetesland, um dort den Kult des friesischen Gottes Forseti zu beenden. Man berichtete, dass dunkle Wolken abzogen, als der Gottesmann sich dieser Insel näherte und eine das allgemeine Heiterkeit einsetzte. Kaum an Land zerstörte L. den Tempel des Forseti und taufte die Einwohner in der dem Gott geheiligten Quelle. Die Insel erhielt daraufhin den Namen Hêlegland (Heiligland), das heutige Helgoland.
L. wurde später zum Bischof von Münster geweiht. Ihm zu Ehren erhielten einige Kirchen in Ostfriesland seinen Namen. Ein weiterer Missionar und Schüler von Bonifatius war Willehad, der im Auftrag von Karl d. Gr. das Missionswerk u. a. an der Unterweser fortsetzte.
Unter Karl d. Gr. wurden die Friesen und Sachsen trotz tapferer Gegenwehr in das Fränkische Reich eingliedert. Die Konvertierung zum Christentum galt um 800 als abgeschlossen, als Karl das gesamte Friesische Reich beherrschte. In Wirklichkeit war dies aber nur die herrschende Oberschicht (die Grafen mitsamt ihrer Vasallen).
Die Verbreitung des Christentums in Ostfriesland gestaltete sich weiterhin als sehr schwierig. Die naturverbundenen Friesen pflegten noch lange ihren heidnischen Glauben und trafen sich in so genannten "Heiligen Hainen". Dies waren ihre Versammlungs- und Kultstätten, von denen bereits der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete: "Nach der Anschauung der Germanen (auch Friesen) verträgt es sich nicht mit der Erhabenheit der Himmlischen, sie in Tempel einzuschließen und sie menschenähnlich darzustellen. Wälder und Haine weihen sie ihnen und mit Namen von Göttern rufen sie jenes geheimnisvolle Wesen an, das sie nur in frommer Andacht schauen." (*)
Dabei galten außerordentlich große Bäume nach heidnischem Glauben auch als Göttersitze. Als um das Jahr 1000 schon erste Deiche angelegt wurden, ließ schließlich der Bischof Unwan von Bremen zwischen 1013 und 1029 diese "Heiligen Haine" abholzen und aus dem Holz neue Kirchen, teilweise auch an dem Ort der bisherigen Kultstätten, bauen.
Aus dieser Zeit dürften an vielen heutigen Kirchenstandorten erste Vorgängerkirchen aus Holz entstanden sein, so auch in Stedesdorf, Esens oder Fulkum.
(*) Es gilt als sicher, dass es so eine Kult- und Versammlungsstätte zwischen Esens und Holtgast im Bereich des heutigen Schafhauser Waldes am Benser Tief gegeben hat. Nähere Hinweise dazu in der Benediktinerzeit diese Klosters.