Zeitraum: 1201 bis 1400

Die Friesische Freiheit  (ca.1200 bis 1360)

Bereits im 12. Jahrhundert begann in den friesischen Ländern eine spannende Zeit, die noch auf Karl dem Großen zurückgeht. Mit einer Dauer von fast 200 Jahre geht dieser Abschnitt als die Zeit der "Die Friesische Freiheit" in die Geschichte ein, die damals wohl als einmalig anzusehen ist. In einer Mischung aus Legende und Überlieferung finden wir Aussagen, dass die Friesen dem Kaiser Karl bei dem Kampf gegen die Sachsen und vor allem in Rom gegen den Stadtadel sehr behilflich waren. Dafür erlangten sie die Freiheit für ihr Stammesgebiet zwischen der Zuidersee in Holland bis an die Unterweser. Dies Gebiet wurde auch als die friesische Seelande bezeichnet und bestand aus einer Anzahl autonomen Landgemeinden (lat. terrae), die von Richtern (Jurati) und Volksvertretern (Redjeven oder Konsuln) regiert wurden, die immer wieder neu gewählt werden mussten. 

In der vom Bremer Domchloaster Adam von Bremen um 1075 abgefassten "Geschichte der Hamburgischen Kirche" tauchen erstmals die Bezeichnungen der kleinen Bauernrepubliken der ostfriesischen Halbinsel auf. Dies waren Emisga (an der Emsmündung mit Emden), Federitga (Krummhörn um Marienhafe), Nordi (das Norderland um Norden), Morseti (das Auricher Moorland), Herloga (der Teil des Harlingerlandes um Esens bis zum Falster Tief), Diesmeri (der Wittmunder Teil des Harlingerlandes), Wanga (das nördliche Wangerland um Hohenkirchen), Asterga ( der südliche Teil ab Crildumer Tief bis zur Maade) und Riustri (reichte bis nach Butjardingen). Nachzutragen ist, dass Herloga, Nordi und Morseti aus dem alten Gau Nordendi entstanden sind und Diesmeri zuvor ein Teil von Wanga war.

2 neue Sturmfluten verwüsteten das Land


Eine schwere Sturmflut - vom 17.November 1218 führte zum Untergang von sieben Rüstringer Kirchspielen.

Am 16.01.1219 folgte schon die nächste schwere Sturmflut - Die erste Marcellusflut forderte nach alten Überlieferungen 36.000 Toten und verursachte gewaltigen Schäden an den Deichen, die zu dieser Zeit noch keine geschlossene Deichlinie an der Küste bildeten.


1235 wurde die Klöster Schoo und Olde Kloster südlich von Holtgast gegründet.

1237 Entstehung der Bauernrepublik Herlingen (Harlingerland) 

Die Gegend um Holtgast spielte für die Namensgebung eine wichtige Rolle.

Die Annahme, dass das Harlingerland seinen Namen von dem Fluß Harle bekam ist sehr verbreitet, aber nicht zutreffend, denn der Name wurde mit großer Sicherheit um die Zeit nach 1000 von der alten Gaubezeichnung Herloga abgeleitet. Das später als "Harle" bezeichnete Fliessgewässer ist eine Folge von verschiedenen Tiefs, die ihren Ursprung im "Leerhafer Tief" hatten. Mit "Harle" wurde der Inseldurchfluss zwischen Spiekeroog und Wangerooge bezeichnet aber der gehörte ebenso wie Wittmund anfangs noch gar nicht zum Gau Herloga sondern zum Gau Diesmeri. Deshalb wird "Herloga" für die Vorgängerbezeichnung des heutigen Harlingerlandes gehalten. Doch woher stammt der Name Herloga? Heyo van Lengen leitet in "das Harlingerland in der ostfriesischen Geschichte - Vortragsmanuskript 1977, S. 2" den Namen von "Herlo" ab. Herlo war eine Bezeichnung für einen "Ort wo man sich zu einer Volksver- sammlung" traf. In der Regemortkarte von 1674 (StAA Rep. 244 Nr. 2617) finden wir für den kleinen Fluss der das Gemeindegebiet von Holtgast durchquert (heute "Benser Tief"), statt der Vorgängerbezeichnung "Altes Klostertief", noch den Namen "The". The ist gleichbedeutend mit Thing oder "Herlo". Damit kann mit großer 

Sicherheit davon ausgegangen werden, dass in dem damals schon bewaldeten Gebiet südwestlich von Esens am heutigen "Benser Tief" früher einmal eine altfriesische Thingstätte und die spätere Versammlungsstätte des hiesigen Gaus gewesen ist, die dem Harlingerland den späteren Namen gab. Auch wenn Dr. Almuth Salomon in ihrem Buch "Geschichte des Harlingerlandes bis 1600" sich bei der Ortsbestimmung nicht sich war, kommt sie ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Versammlungsstätte verantwortlich für die spätere Namensgebung des Harlingerlandes war. 

Das terra Herlingie, wie das nördliche Harlingerland zwischenzeitlich auch genannt wurde, bestand später aus Herloga und Diesmeri und war damals schon vergleichbar mit dem heutigen Kreis Wittmund ohne das damals noch zu Östringen gehörende Amt Friedeburg. Die kleinen Länder der "sieben Seelande" waren in Landesviertel aufgeteilt. Sie entsprachen weitestgehend den damaligen Sendgerichtsbezirken, die die Kirche schon zuvor um ihre ersten Kirchenstandorte gebildet hatte. Lediglich der große Bezirk von Stedesdorf wurde noch einmal geteilt, bei dem im westlichen Teil Esens Vorort (Hauptort) des Viertels wurde. 

In jedem der vier Landesviertel von Herlingie wurden vier Volksvertreter (Konsuln) gewählt. Sie bestimmten aus ihrer Mitte, wer dies Gebiet in der Upstalsboomversammlung (die Volksvertretung aller friesischen Länder) vertreten sollte, die einmal jährlich am Dienstag nach Pfingsten Verordnungen für das tägliche Leben, über Landesverteidigung und den Beistand untereinander, für Handel und Wandel aber auch Bestimmungen für Recht und Ordnung beschloss, die für das ganze friesische Gebiet Gültigkeit hatten. Nach diesem Recht wurde dann mehrmals im Jahr an Marktagen Gericht gehalten. Außerdem vertraten diese Redjeven, wie sie auch genannt wurden, das Land nach außen, wie aus einigen Verträgen um 1237 mit Bremen und Hamburg überliefert ist. Einige der Namen der damaligen Volksvertreter sind bekannt, davon lässt sich aber leider keine komplette Übersicht der Zuständigkeiten ableiten.

Das Gemeindegebiet von Holtgast gehörte damals mit Holtriem schon zu Esens. Allerdings war die Zugehörigkeit zu den Kirchspielen wie folgt geregelt: Damsum und Siepkwerdum gehörten zu der später versunkenen Oldendorfer Kirche, Fulkum war eigenständig und Holtgast war ebenso wie Utgast Teil des Esenser Kirchspiels.

In der Zeit der "Friesischen Freiheit" wurden große Leistungen vollbracht. So wurde der Deichbau voran getrieben, und der "Goldene Ring" konnte bald geschlossen werden. In dem Schutze der zwar noch recht kleinen Deiche blühte die Landwirtschaft und Handel und Wandel florierten. 

Neben den genossenschaftlich organisierten Bauerngemeinschaften (vor allem auf der Geest) gab es aber auch schon Familien, bzw. Familienverbände, die sich inzwischen schon große Besitztümer erarbeitet und angeeignet hatten. Das Wahlrecht für die Volksvertreter oder für den Pastoren des Kirchspiels war damals von dem Besitz abhängig. Dies hatte zur Folge, dass das Dienstpersonal in seinen Rechten gegenüber den Bauern stark eingeschränkt war. 

Den Nobiles jener Zeit fiel es natürlich schwer, sich der Rechtssprechung der allgemeinen Volksvertreter unterzuordnen und so bildete sich im 14. Jahrhundert allmählich eine neue Führungsschicht, die der Häuptlinge (Hoeftlinghe), die die Richter allmählich verdrängten und sich deren Befugnisse aneigneten.

Ostfriesland wurde von der Pest und weiteren schweren Sturmfluten heimgesucht


Schwere Sturmflut - 1287 -Die Luciaflut vom 14.12. forderte wiederum tausende Menschenopfer. Ganze Siedlungen wurden vernichtet. Die Menschen zogen sich vor der vordringenden Nordsee zurück und gründeten neue Dörfer wie Osteel, Marienhafe oder Upgant-Schott.  

Schwere Sturmflut - 1334 - Bei der Clernensflut dehnte sich der Jadebusen weiter ins Binnenland aus.

Schwere Sturmflut - 1362 - Die zweite Marcellusflut: (Manntränke)forderte an die 100.000 Tote. Einige Dörfer wie Otzum und Janssum gingen unter und wurden anschließend verlassen, die Leybucht, die Harlebucht und der Jadebusen wurden durch diese Flut nochmals vergrößert. Juist wurde von Borkum und Aldessen von Eckwarden getrennt. Entstehung der "Schwarzen Brack", an der Neustadtgödens Hafenort wurde.

Schwere Sturmflut - Erste Dionysiusflut vom 9. 10.1374 - Das Wasser soll noch höher gestanden haben als bei der zweiten Marcellusflut. Das Dorf Westeel ging unter. Einbruch der Leybucht. Marienhafe und Norden wurden Hafenorte.

Schwere Sturmflut - 1377 -  Bei dem Deichbruch bei Jansum grub sich die Ems ein neues Flussbett.


Die Zeit der ostfriesischen Häuptlinge (Hoeftlinghe)

Obwohl die Zeit der Richter schon um 1350 zu Ende ging, finden wir für das Harlingerland noch Hinweise, dass diese hier noch um 1379 in Amt und Würden waren. Doch auch hier wie im übrigen Ostfriesland zeigten einige mit befestigten Steinhäusern, dass sie sich  absetzen wollten. Dies geschah jedoch ohne Gewaltanwendung. Sie waren eben sehr tüchtig und hatten vor allem große Familienverbände hinter sich. So verschafften sich durch ihren großen Besitz, durch Wahrnehmung von Handelsrechten oder in andere Weise, dass das Umfeld von ihnen  abhängig wurde. Ansonsten beließen sie beließen den Bewohnern alle Freiheiten.

Die nächsten 50 Jahren waren jedoch dadurch geprägt, dass sich Häuptlingssippen um Machtbereiche bekämpften und so eine Vormachtstellung wiederum über andere Häuptlinge erlangten. So bildeten sich einige s. g. Herrlichkeiten, in den sie über Recht und Gesetz sowie über Abgaben verfügten. Wiederum andere stiegen zu Landeshäuptlinge auf und unterwarfen sich größere Gebiete. Aber all diese war nicht vergleichbar mit  Feudalsystemen wie es im übrigen Europa zu finden waren.

Die Häuptlinge waren vielfach auch gut Freund mit den Seeräubern. So auch mit Klaus Störtebeker und Gödeke Michel.

Im Holtgaster Gemeindebezirk finden wir in der Geschichtsschreibung nur im Bereich Siepkwerdum ein Gut das diese Voraussetzungen für einen Häuptlingssitz gehabt haben könnte. Es war dies der Platz des Hare von Siepkwerdum. Aber im übrigen Harlingerland gab es noch viele weitere Häuptlingsgeschlechter.

Fortsetzung 1401 bis 1500