Zeitraum: 1401 bis 1500

Die Nebel über die Klostergeschichte von Marienkamp lichteten sich.

Wenn die Vermutungen von einigen Heimatforschern und Buchautoren stimmen, dass das Kloster Marienkamp (hieß in der Benediktinerzeit vermutlich Esingerfelde bzw. Kloster to Etzinge) Ende des 11. Jahrhunderts westlich von Esens auf dem heutigem Gemeindegebiet von Holtgast gegründet wurde, dann fehlen uns Informationen aus rund 200 Jahren der Klostergeschichte dieses Stifts, dass einmal auf der Warf südlich der Straße "Mühlenstrich" in Holtgast gestanden hat. Ähnlich sieht es bei dem Vorwerk Pansath aus, rund 3 km westlich auf dem früheren Gemeindegebiet von Utgast, gelegen.

Alle Recherchen und Vermutungen zur Lage des Klosters sowie alle Theorien über die Benediktinerzeit erhalten erst dann einen Wert, wenn es gelingt, die niedergeschriebenen Vermutungen durch Ausgrabungsergebnisse zu untermauern. So lange bleibt nur eine urkundlich belegte Gewissheit vom 9. Februar 1421 (sh. Vatikanisches Archiv: Re. Lat. 237 fol. 198v. Regest: Rep. Germ. 4 Sp. 1092), dass vor dieser Zeit Mönche des Benediktinerordens hier lebten (in Pansath vermutlich Nonnen), die nach 1400 durch ihre eigene Schuld in große Not geraten sind und auch noch die Ordensregeln vernachlässigten.

Mit diesem Wissen hat Erzbischof Johann von Bremen den Frenzwegener Prior Henricus Loeder in der Zeit um 1420 - 21 mit der Umwandlung von Marienkamp und Pansath in ein Augustinerkloster beauftragt. Loeder setzte damals zunächst Arnold von Hüls als Rektor ein, der zuvor schon das Kloster Thabor bei Sneek (NL) reformierte. Dies erfolgte natürlich mit dem Einverständnis des Häuptlings Wibet von Stedesdorf, der um diese Zeit im benachbarten Esens eine Burg anlegen ließ und Verwalter dieses Territoriums war. In der benannten Urkunde wurde dem letzten Abt der Benediktiner, Heinrich, vom Papst Martin V. ein Plenaralblass erteilt. Da die Geschichtsschreibungen aus dieser Zeit schon verlässlicher wurden, gilt als sicher, dass die restlichen Mönche in das Benediktinerkloster Mariental bei Norden umgesiedelt wurden.

Durch eine weitere Schrift eines Mönchen über den ersten Prior Arnold von Crefeld ist bekannt, dass das Kloster damals ziemlich herunter gekommen war. Ähnlich sah es wohl auch in den weiter südlich gelegenen Klöstern Schoo und Oldekloster aus, die um 1235 von Prämonstratensern gegründet wurden. Dies führte dazu, dass sie mit Marienkamp vereinigt wurden.

Mit großem Eifer gingen die neuen Klosterherren ans Werk, um für Marienkamp die alte Funktionalität und das Ansehen früherer Jahre zurück zu erlangen. In verhältnismäßig kurzer Zeit gelang ihnen dies auch. Die Klosterbesitztümer wurden vergrößert, überall gab es Bau- und Instandsetzungsarbeiten. Die Vorwerke Pansath, Schoo, Oldekloster und Margens erstrahlten bald in neuem Glanz und in Marienkamp selbst wurden neue Schlafgelegenheiten und ein neuer Chor an der Kirche nötig, damit die auf 36 Geistliche und über 100 Laienbrüder angewachsene Klostergemeinschaft untergebracht werden konnte. Es wurde damals behauptet, dass die Klosteranlagen das Aussehen einer kleinen Stadt gehabt hätten.

In dieser anfänglichen Blütezeit entstand auch die erste Windmühle von ganz Ostfriesland 1424 auf dem Klostergelände. Mit großem Neid wurde diese Entwicklung von den ehemaligen Klosterbrüdern von Norden aus betrachtet. Aber die Pläne für eine Rückeroberung scheiterten. Bedauerlicher Weise wurden Prior Arnold und 13 seiner Glaubensbrüder Opfer der Pest, die um 1431 unsere Gegend heimsuchte. So konnten seine Pläne, aus Pansath ein eigenständiges Kloster zu machen, nicht mehr verwirklicht werden.

Aber auch unter seinen Nachfolgern stieg Marienkamp zum bedeutensten Kloster des Augustinerordens in Ostfriesland auf. Auf Verlangen des Bischofs aus Bremen wurden bald weitere Klöster von hier aus mit verwaltet. Dies waren im Jahre 1444 das Kloster Sielmönken aus dem Amt Greetsiel, 1450 das Kloster Hopels bei Friedeburg und vermutlich auch 1481 das Kloster Coldinne bei Arle, obwohl dies nicht urkundlich belegt ist.

Wir fanden im 15. Jahrhundert weitere Hinweise, dass in dem Kloster Bücher und mathematische Berechnungen erstellt wurden. Als Marienkamp jedoch in die Streitigkeiten zwischen dem ostfriesischen Grafen und den Herren von Esens geriet und aus diesem Grunde zum Ende des Jahrhunderts einige Male überfallen wurde, verblasste das hohe Ansehen dieses Stifts

Die Entwicklung von Esens und seinen Herren, zu deren Herrschaftsgebiet die früheren Dörfer der Gemeinde Holtgast von Anfang an gehörten.

Die Dörfer der heutigen Gemeinde Holtgast gehörten von Anfang an zur Herrlichkeit Esens. Dies geht schon auf die Gründung der Kirchspiele zurück. Bei der Einrichtung von Vogteien im späteren Amt ergaben sich allerdings Unterschiede. Nach dem Untergang der Oldendorfer Kirche kamen nun auch die Wohnplätze der späteren Gemeinde Damsum zum Kirchspiel Esens. Sie kamen später vei der Einrichtung von Vogteien zusammen mit Utgast und Fulkum zur Vogtei Westeraccum. Holtgast, ebenfalls zum Esenser Kirchspiel gehörend, wurde Bestandteil der Holtriemer Vogtei.

Esens hat sicherlich einen großen Teil seiner späteren Bedeutung dem Häuptling Wibet von Stedesdorf zu verdanken, der am Anfang des 15. Jahrhunderts in Esens eine Burg errichten und mit dem Umfeld eine neue Herrlichkeit entstehen ließ. Bei den Häuptlingsstreitigkeiten zum Ende im davor liegenden Jahrhundert, wurde er von der damals mächtigsten Häuptlingsfamilie in Ostfriesland, den "tom Broks", damit beauftragt im Harlingerland für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ausgestattet mit diesem Privileg geht als erstes die Gründung der Herrlichkeit Stedesdorf, zu der damals außerdem die Dörfer Thunum, Osteraccum und Dunum gehörten, auf ihn zurück. 

Während über die Herkunft von Wibet teilweise gerätselt wird, wurden aus der Zeit seines Wirkens folgende Tatsachen überliefert. Demnach begann er seine Laufbahn 1414 als "Vogt des loges Esentze". 1428 führte er die Bezeichnung Häuptling von Stedesdorf, Folkertshausen und Nordorp und 1437 nannte er sich bereits "Hovetling und Richter" von Esens und Aurich, die ihm die Bedeutung eines Landeshäuptlings einbrachte. Zuvor musste er manch heikle Situation überstehen, denn in dieser Zeit ging die Vorherrschaft von Ostfriesland durch einige kriegerische Auseinandersetzung von den tom Broks auf Fokko Ukena und schließlich auf die Häuptlingsfamilie der Cirksenas über. Deshalb wurden auch erschon mal die Seiten gewechselt, aber dies überstand Wibet unbeschadet, wenn gleich Esens zwischendurch einmal von den "tom Broks" zerstört worden war..

Nach dem Tod seines Sohnes Hilmer ging das Erbrecht seiner Güter auf seine ältere Tochter Foelke über, die in zweiter Ehe Ulrich Cirksena, den späteren ersten Reichsgrafen von Ostfriesland heiratete. Obwohl Wibet die Regentschaft im Jahre 1440 an Ulrich abgab, konnte dieser nach dem harlingerländer Recht die Herrlichkeiten Esens und Stedesdorf nicht für sich behalten, weil seine Ehe mit Foelke kinderlos blieb.

1441 musste Ulrich ohnehin die Nachfolge seines Bruders und damaligen Landeshäuptlings Edzard Cirksena antreten, der zuvor mit seiner Frau an der Pest verstorben war. Er beauftragte deshalb seinen Neffen Sibo Attena von Dornum mit der Wahrung seiner Interessen in Esens. Dieser heiratete später Wibets Enkelin Onna, die man zuvor wohl enterbt hatte. Durch den Umstand, dass der Ehe mit Sibo drei Kinder entstammten, wurden sie nach dem harlinger Recht nun die legitimen Erben von Wibets Hinterlassenschaften.

Sibo verband mit seinem Onkel eine herzliche Männerfreundschaft. Als Ulrich 1464 vom Kaiser zum ersten Reichsgrafen ernannt wurde, erhielt er zeitgleich die Ritterwürden. Nach Ulrich stellten die Cirksenas bis 1744 alle Regenten von Ostfriesland. 

Zu den Verdiensten von Sibo Attena gehörte, dass Wittmund mit dem nördlichen Harlingerland vereinigt wurde. Dazu musste er allerdings erst einmal den alten Tanne Kankena vertreiben, was später noch zu einigen Rechtsstreitigkeiten führte. Sibo übernahm nach dem Tod seines Onkels Ulrich auch die Vormundschaft über dessen unmündige Kinder. Nachdem er zuvor noch ein 2. Mal geheiratet hatte, starb er schließlich am 8. Nov. 1473. Er wurde im Chor der St. Magnus Kirche in Esens in einem prachtvollen Sarkophag beigesetzt. 

Sein Nachfolger wurde Hero Omken d. J. aus erster Ehe mit Onna von Stedesdorf. Hero, der lt. Testament von Sibo das Harlingerland zusammen mit seinem Halbbruder Ulrich von Dornum regieren sollte, hat diesen nie an die Regentschaft beteiligt und ihn dafür finanziell abgefunden, was jedoch noch zu späteren Streitigkeiten führte. Auch kühlte unter ihm das zuvor gute Verhältnis zu den Cirksenas ab, weil er auf die Selbstständigkeit des Harlingerlandes bestand.

Dies gefiel den Cirksenas nun ganz und gar nicht, die gerade dabei waren unter den jungen Grafen Edzard I., dem man später den Beinamen "den Großen" verlieh, ihr Machtgebiet von Groningen bis an die Weser auszudehnen. Durch eine Fälschung besorgte Graf Edzard sich einen neuen Belehnungsbrief, in dem nun auch die Herrlichkeiten Esens, Stedesdorf, Wittmund und Jever sowie Friedebug zu seinen Besitztümern mit aufführt wurden. Nachdem er diese List beim Kaiser durchsetzen konnten, eskalierten in der Folgezeit die Streitigkeiten bis zum Ende des Jahrhunderts, unter denen unser Kloster Marienkamp auch mächtig zu leiden hatte.

Welche Entwicklung nahm das übrige Ostfriesland im 15. Jahrhundert?

Aus der Sicht unserer heutigen Gemeinde ist vielleicht erwähnenswert, dass der Bau der "Averborg" in Aurich (seit der Vorherschaft der tom Broks Hauptort in Ostfriesland) wohl noch auf Ulrich Cirksena zurückgeht. Später wählte er aber Emden zur Hauptstadt aus. Dies war an sich nur von geringer Bedeutung, da selbst Aurich für die Verhältnisse damaliger Zeiten schon sehr weit entfernt lag. Emden war in dieser Hinsicht fast unerreichbar und so blieb den meisten aus unserer Gegend verborgen, welch positive Entwicklung die neue Hauptstadt an der Emsmündung nahm. Dies lag sicherlich mit an dem neuen Status, aber nachdem beim Kaiser Maximilian erwirkt werden konnte, dass Emden ein Stapelrecht erhielt, entstand hier in der Folgezeit ein wichtiger und prächtiger Hafenort.

Neben dieser erfreulichen Entwicklung beklagten die Hansestädte (zu denen Emden jedoch nie gehörte) und da vor allem Hamburg, dass die Handelsschifffahrt der Hanse ständig durch die von Ostfriesland aus operierenden Piraten bedroht wurde. Dies führte zwischenzeitlich zur Besetzungen einiger Orte und auch Emdens um somit mehr Druck auf die Häuptlinge an der Küste auszuüben. Außerdem wurden die Festungen Leerort und Stickhausen angelegt, um die Piraterie aus dem ostfriesischen Hinterland zu bekämpfen.

Ein weiterer Hinweis aus jener Zeit für alle die heute staunend vor der Ruine des Reepsholter Kirchturms stehen. Diese Ruine stammt nicht auf dem letzten Weltkrieg. Der Einsturz wurde 1473 durch Untergraben der Fundamente von der ostfriesischen Gräfin Theda anlässlich einer Auseinandersetzung der Ostfriesen mit den Östringern, zu denen Reepsholt damals gehörte,  provoziert. Die Technik für das nicht ungefährliche Untergraben von mächtigen Mauern war damals verbreitet und wurde später häufig bei der Zerstörung von Klöstern angewandt.

Was sollten Sie außerdem noch aus dieser Zeit von Gemeinde Holtgast wissen?

Den Schwerpunkt der Geschichtsbetrachtung im 15. Jahrhundert bilden sicher die Ereignisse um Marienkamp und Pansath. 

Bei der Suche nach möglichen Häuptlingen, die in dieser Zeit hier gelebt haben könnten, bin ich nur auf Hare to Siepkwerdum gestoßen, bei dem es dafür die nötigen Voraussetzungen gegeben haben könnte. Hare verstarb jedoch kinderlos, so dass nach ihm keine weiteren edlen Geschlechter auftauchten. Außerdem wurde in der Geschichtsschreibung noch über einen Myner to Damzum in einem Zeugenfall berichtet.

Der Bau der neuen Burg von Esens und weiteren Befestigung des Ortes blieb auch nicht ohne Folgen für die Dörfer in der Umgebung. So waren die Bauern neben Lasten und Abgaben (den Zehnten), auch zu weitere Frondienste verpflichtet. Einige mussten z. B. Torf graben und liefern. Andere waren für die Bereitstellung von Lebensmittel und Viehfutter zuständig. Aber auch die Beweidung der zur Burg gehörenden Ländereien, sowie das Aufreinigen von Gräben oder die Hilfe bei der Heuernte, gehörten zu den zusätzlichen Pflichten. 

Die Bewohner der Kirchspiele Fulkum und Roggenstede waren in diesem Fall für den Stadtwall und die Holtgaster  zusammen mit den Holtriemern für das Aufreinigen und Aufeisen eines Teils des Befestigungsgrabens zuständig.   

Aber es gab auch noch einen Grund zur Freude: In dem uralten Kirchdorf Fulkum wurde 1474 ein Glockenturm errichtet und ein Glocke bestellt, die ein bis heute noch nicht gelüftetes Geheimnis in sich birgt.

Fortsetzung 1501 bis 1600