Die Holtgaster Heimat-Geschichte |
Lebensweisen im Harlingerland im 17. Jahrhundert frei nach der Landesbeschreibung von B. Arends (1640 bis 1725) Balthasar Arens war von 1675 bis 1687 Pastor in Berdum. Neben seiner kirchlichen Tätigkeit zog er unermüdlich durchs Land und hinterließ als Chronist der damaligen Zeit interessante Einblicke in die Zeitgeschichte des Harlingerlandes. Die nachstehend beschriebenen Lebensweisen lassen sich auf alle Landgemeinden, so auch auf Holtgast übertragen. Die Währung im 17. Jhdt.: In der Esenser Münze wurden ab 1600 alle ostfriesischen Münzen bis einschließlich 1746 geprägt. Dies waren 18-, 6-, 3-, 2- und 1-Stüver Münzen. Ein Stüver enthielt 4 Oertchen und ein Oertchen 2 1/2 Witt. Der damalige Reichstaler enthielt 54 Stüver. Die Namensgebung: Das alte ostfriesische Namensrecht hat schon so manchen Ahnenforscher zur Verzweifelung gebracht. Denn die Kinder erhielten den Vornamen des Vaters als Nachnamen zuzüglich die Silbe "sen" oder ein "s". So wurde aus dem Vornamen des Vater, z. B. Johann, der Nachname Johannsen. In der nächsten Generation entfiel für deren neugeborenen Kinder der alte Familienname und es wurde wieder Bezug auf dem Vornamen des aktuellen Vaters genommen. Es gab aber auch Ausnahmen. Dann nämlich, wenn der Hof den sie bewohnten auf die Ehefrau zurück ging, hatte sie das Namensrecht. Die täglichen Malzeiten: B. Arends schreibt, dass die Malzeiten nicht sonderlich lecker waren. Sie bestanden aus Grütze, dicke Milch, Wasserbrei, Bohnen, geräuchertes Fleisch, Stebbels, Klütchen usw.. Als Brot gab es Gerstenbrot. Dazu gab es viel Butter. Als Getränke wurden genannt: Buttermilch, Käseweihe und Dünnbier. Es gab bis zu fünf Mahlzeiten täglich. Dies waren der Anbiss, das Morgen- und Mittagsmahl, das Vesperbrot und das Abendmahl. Vor dem Gang ins Bett wird davon berichtet, dass noch "Warmbier" getrunken wurde. Man konnte aber auch schon französischen Wein oder "ausländische Biere" aus Hamburg, Bremen oder den Niederlanden trinken. Neben Esens und Wittmund wurden auch fast alle Kirchdörfer als Bierbrauorte genannt. Tabak und Branntwein verleiteten, so B. Arends, die Leute zur bösen Lust, so dass darüber häufig Geld und Gut, Haus und Land, selbst Leib und Leben sowie Seele und Seeligkeit verloren gingen. Die Sprache: Als Umgangssprache wurde die Niederdeutsche Sprache genannt. Vereinzelt soll aber auch noch die alte Friesische Sprache eine Rolle gespielt haben. Die Wohnhäuser: Die Häuser standen auf dem Lande meistens mitten in der Fläche, die von dort aus bewirtschaftet wurde. Daraus ergab sich vielfach eine verstreute Bebauung wie in Holtgast. Geschlossene Siedlungsstrukturen fand man nur in der Stadt und vereinzelt in Kirchdörfern. Für den allgemeinen Hausbau wurde Lehm oder Klei verwendet. (Ziegelsteine waren teuer und wurden deshalb überwiegend für den Bau von Herrenhäuser und Kirchen verwendet). Die Gebäude bestanden anfangs nur aus einem großen Raum mit einer Feuerstelle. Mensch und Vieh lebten praktisch in einer großen Wohngemeinschaft. Später folgte zumindest eine Aufteilung in einen Wohn- und einem Wirtschaftsbereich. Die Bauweise war ebenfalls sehr einfach gehalten. Für die Wände wurden zunächst Stützen errichtet und miteinander verbunden. Dann folgte ein Strohgeflecht. Dies wurde beidseitig mit Lehm beschmiert und fertig war die Wand. Fenster und Türen gab es nur spärlich, denn die waren teuer. Außerdem wurden die Häuser flach gehalten, damit dem Wind keine großen Angriffsflächen geboten wurden. Das Dach wurde in der Regel mit Stroh eingedeckt. Als Feuerung diente Torf und bei ärmeren Leuten vielfach getrocknete Kuhfladen, die mit Stroh durchsetzt waren. In den Gärten wurden grüner Kohl, weißer und roter "Buskohl", Wurzeln, Rüben, Erbsen, Bohnen und Salat angepflanzt. An Obstbäumen wurden Apfel- und Birnenbäume genannt, die am besten an der Südseite der Häuser gediehen. Die Wege wurden bei schlechtem Wetter als böse und unbrauchbar beschrieben, die das Reisen besonders erschwerten. Aus diesem Grunde vollzog sich der Lastverkehr soweit wie möglich auf den Tiefs und Kanälen. Die Kleidung war recht einfach. An hohen kirchlichen Festtagen trugen die Mädchen und Frauen zu ihrer schönen Tracht gerne breite Silbergürtel mit einer silbernen Schlüsselkette. Auch die Männer hielten für solche Gelegenheiten einen besonderen Anzug vor. Bei Feiern aus Anlass einer Hochzeit, Kindtaufe usw. wurde an nichts gespart. Laut B. Arends übernahmen sich viele so sehr, so dass sich daran häufig in Schulden gesetzt hätten. Das Hochzeitsbitten war ebenfalls weit verbreitet. Der Hochzeitsbitter trug einen langen Stab und war an den Ärmeln mit Gold und Schmuck behangen. Er ging zu den Freunden und Nachbarn und sprach die Einladung nach bestimmten Ritualen aus. Wenn eine Braut am Tag ihrer Hochzeit durch andere Dörfer fahren musste, wurde sie dort mit Kränzen, Blumen und Ehrenschüssen begrüßt. Zum Dank übergab sie den Leuten einen Ehrenpfennig. Bei Beerdigungen fielen 2 oder 3 enge Freundinnen über den Sarg des Verstorbenen und am Grab auf die Erde um ihn zu beweinen und zu beschreien. Die Hinterbliebenen entzogen sich für die nächsten 6 Wochen der Kirchengemeinde und trauerten zu Hause. Wenn eine Wöchnerin starb, wurde der Sarg mit einem weißen Laken bedeckt. Der Sarg wurde von den Trägern in diesem Fall auch nicht auf den Schultern, sondern mit kleinen Stricken getragen. |