Das ereignisreiche 16. Jahrhundert war voll von Kriegen und Katastrophen.

Kriege und Fehden beherrschten dieses Jahrhundert in Ostfriesland

Die Zeiten in denen man noch friedlich und ohne Furcht in Ostfriesland leben konnte, waren endgültig vorbei. Es gab kaum ein Dorf und kaum eine Stadt, die in der Folgezeit nicht von Überfällen, Fehden, Kriegen, Sturmfluten oder sonstigen unglücklichen Aktionen betroffen war. Die anfänglichen Geplänkel zwischen dem Grafen Edzard und Hero Omken nahmen an Heftigkeit zu. So kam es zu Überfällen auf das Holtriemer Land bei denen die Kirche in Westerholt und das ganze Gebiet bis nach Holtgast verwüstet wurde und es gab weitere Überfälle auf das Kloster Marienkamp und seine Vorwerke. 

Nachdem Edzard I 1514 in die Reichsacht kam, weil er die kaiserliche Ernennung von Herzog Georg von Sachsen zum Erbstatter aller friesischen Lande nicht anerkennen wollte, folgte die "Sächsische Fehde" bei der 24 deutsche Herzöge und Grafen mit ihren Truppen mordend, plündernd und raubend in die friesischen Lande einfielen. Unter ihnen war auch Hero Omken aus Esens, der endlich eine Möglichkeit sah, Edzard einiges heimzuzahlen.

In kürzesteter Zeit wurden zahlreiche Klöster, Dörfer, Burgen, Festungen und auch Aurich eingenommen, zerstört oder in Brand gesetzt. Als Edzard 1517 von Karl V., dem neuen Herrscher der Niederlande begnadigt wurde, gingen ihm alle zuvor dazu gewonnenen Gebiete verloren und es blieb viel verbrannte Erde übrig.

Kurz nachdem er sich davon erholt hatte, zog er wieder nach Esens, diesmal gegen den jungen Balthasar, der seinen Vater nach dessen Tod 1522 beerbt hatte. Balthasar hatte wie sein Vater eine Vorliebe für die Seeräuberei. Er erfüllte Edzards Bedingungen, dies künftig zu unterlassen, nur widerwillig. Danach blieb es ein paar Jahre bis zu Edzards Tod im Jahre 1528 ruhig. Als Graf Enno II neuer Regent wurde, gab es 1529 einen weiteren, durch den dänischen König herbeigeführten Vergleich, der das friedliche Nebeneinander des Harlingerlandes mit  Ostfriesland regeln sollte. Balthasar hielt sich auch an die Abmachungen. Aber Enno II dachte nicht daran. Zunächst hatte er aber nach der Einführung der Reformation ein neues Betätigungsfeld gefunden. In der auf ihn zurückgehenden Säkularisation wurden nach und nach alle Klöster mit ihren Besitzungen enteignet und zerstört. Um dies Unrecht zu vertuschen hat man gleich alle Klosterbibliotheken mit vernichtet, so dass auf diese Weise unschätzbare Werte und ein großer Teil der ostfriesischen Geschichtsschreibung verloren gingen.

Kurz darauf war auch die ruhige Zeit im Harlingerland wieder vorbei. 1530 wurde Wittmund völlig unvorbereitet überfallen und eingenommen und kurz darauf erschien Enno mit seinen Truppen vor Esens. Dabei nahm er im Kloster Marienkamp Quartier. Enno, der vorher schon einen vergeblichen Versuch unternommen hatte, Balthasar auf der Friedeburg gefangen zu nehmen, bekam bei seinen Angriffen auf die Stadt heftige Gegenwehr und große Verluste. Darauf hin beschloss er die Stadt mit einem Belagerungsring auszuhungern. Dazu fehlten ihm jedoch die erforderlichen Kriegsleute. Also ging er zurück um weitere anzuwerben. Dies machte sich Balthasar zu Nutze, um mit Ausfällen zunächst das Blockhaus bei Nordorf und dann auch das Kloster Marienkamp zu zerstören. Das Kloster lag für ihn strategisch sehr ungünstig, weil es dem Feind immer wieder gute Deckungsmöglichkeiten bot. Deshalb siedelte er kurzerhand die restlich verbliebenen Mönche nach Pansath um und legte anschließend im Kloster an mehreren Stellen Feuer. Nachdem er sich zuvor die verbliebenen Klostergüter angeeignet hatte, wurde das Kloster weitestgehend durch diesen Brand vernichtet. 

Was Enno nicht mit Waffen gelang, klappte dann schließlich doch noch, als die Vorräte der eingeschlossenen Stadt aufgezehrt waren. Balthasar musste sich ergeben. Enno zog in einem Triumpfzug in die Stadt ein und diktierte dem letzten Attena harte Bedingungen, die er kniend akzeptieren musste. So ließ er ihm von seinen einstigen Herrschaftsgebiet nur noch Teile der Herrlichkeiten von Stedesdorf und Esens, dazu musste er alle Kriegskosten bezahlen. 

Dieses Verhalten rügten selbst sehr ostfrieslandfreundliche Berichterstatter aus dieser Zeit wie z. B. Beninga. So kam es wie es kommen musste. Balthasar wollte sich rächen und suchte sich einen neuen Lehnsherren. Diesen fand er in dem Herzog von Geldern. Seine einzige Bedingung für die Belehnung war, dass er sein altes Herrschaftsgebiet zurück erhalten wolle. In der daraufhin folgenden "Geldrischen Fehde" wurde Ostfriesland an vielen Stellen verwüstet. Wie immer bei Kriegen, musste wieder einmal die arme Bevölkerung für die Fehler seiner Herren büßen. Nach vielen Niederlagen und dem Verlust der Stammburg der Cirksenas in Greetsiel, blieb Enno II schließlich nichts anderes mehr übrig, als Balthasar im Vergleich von Logum, alle seinen früheren Besitztümer zurück zu geben.

Doch von nun an überschätzte Balthasar seine Situation. Berauscht von seinen Erfolgen legte sich nun auch noch mit den Bremer Kaufleuten an. Dies kam dem Erzbischof zwar gut gelegen, aber nachdem Balthasar alle gütlichen Einigungs- versuche abgelehnt hatte, brachte ihm dies zunächst die Reichsacht und anschließend sein Ende im Jahre 1540, als trotz tapferer Gegenwehr seine Stadt von einer Bremer Heeresmacht eingeschlossen, in Brand geschossen und anschließend eingenommen wurde.

Und als wäre dies alles noch nicht genug gewesen, wurde

Ostfriesland im 16. Jahrhundert auch noch von schweren Sturmfluten heimgesucht.

War man im vorigen Jahrhundert noch verschont geblieben, so bekam die ostfriesische Halbinsel diesmal die volle Wucht der Naturgewalten der Nordsee zu spüren. Dies versetzte die Menschen wiederholt in Angst und Schrecken. Auch in Holtgast wurden mehrere Male aus Furcht höher gelegene Bereiche aufgesucht. Besonders schwer bekamen aber die Dörfer Ostbense, Bense, Oldendorf und Osterbur die zerstörerischen Kräfte dieser Fluten zu spüren. Sie wurden alle samt Kirchen vernichtet und mussten später weiter landeinwärts hinter dem Deich wieder neu aufgebaut werden.

Die Fluten im Einzelnen:


1509 Schwere Sturmflut - am 26.September durchbrach die Ems in der St. Cosmas- und Damian-Flut den Deich südlich des Ortes Nesse und trennte die Schleife, über die die Ems bislang direkt an Emden vorbei floss.

1510 Schwere Sturmflut -  Die St. Magnus-Flut zerstörte am  5. September viele notdürftig reparierte Deiche.

1511 Schwere Sturmflut - Die Antoni-Flut vollendete am 16. Januar das Zerstörungswerk der Fluten von 1509 und 1510. Der Dollart und der Jadebusen erreichten ihren größten Umfang.

1532 Schwere Sturmflut - Nach der 3. Allerheiligenflut vom 31.10. mussten nun auch die Dörfer Ostbense und Osterbur aufgegeben werden.  

1564 Schwere Sturmflut - Die 4. Allerheiligenflut vom 1.11.war mit einem Meeresanstieg von 4,43 m über NN eine der schwersten Sturmflutkatastrophen in Ostfriesland und im Harlingerland. Insgesamt waren 3.800 Opfer zu beklagen. Danach wurden Oldendorf und Bense als letzte Dörfer vor dem Deich aufgegeben.


Und was passierte sonst noch in Holtgast und der Umgebung?

Aus dem Kloster Marienkamp gab es am Anfang des neuen Jahrhunderts wenig Erfreuliches zu berichten. Es hatte weiterhin unter der schon vorhin beschriebenen Dauerfehde zwischen Graf Edzard von Ostfriesland und Hero Omken zu leiden, die schon zum Ende des vorigen Jahrhunderts begonnen hatte. Man vermisste eine Schutzmacht, damit wieder stabile Verhältnisse hergestellt werden konnten. Dabei wurde jegliche Annäherung an den mächtigen ostfriesischen Grafen von Hero Omken argwöhnisch betrachtet. Ein weiterer Versuch, den oldenburgische Grafen Gerd (zugleich Schwiegervater von Hero) durch ein wertvolles Geschenk in Form eines Missalbuches als Schutzherrn zu gewinnen, misslang ebenfalls. Mit der Wahl des aus Oldenburg stammenden Priors Berhard (1488 -92) wurde dann erst einmal erreicht, dass die Verdächtigungen des Esenser Häuptlings bezüglich der Spionage für den ostfriesischen Grafen, zeitweilig zurückgingen.

1496 versuchte der nachfolgende Prior Hermann Reyger von Delden, die beiden Kantrahenten für eine gütliche und friedliche Einigung im Kloster an einem Tisch zu bekommen - aber alles vergebens, denn keine der beiden Seiten zeigte eine Kompromissbereitschaft und so ging der Streit in aller Härte weiter.

Vor dem Hintergrund einer ungewissen Zukunft gab es vor allem bei den Laienbrüdern erste Auflösungserscheinungen. Der Klosterführung gelang es nicht mehr die gewohnte Ordnung aufrecht zu halten. So verschwand mal der Eine und ein anderes Mal ein Anderer und meistens ließen sie dabei auch einiges aus dem Klosterbesitz mitgehen. Die Zustände verschlimmerten sich dramatisch. Wie man aus einer Klageschrift von Hero Omken aus dieser Zeit lesen kann, sollen dabei sogar Orgien gefeiert worden sein, so dass er sich zum Eingreifen gezwungen sah. Nachdem wieder einmal ein Ultimatum zur Besserung der Situation verstrichen war, ließ er die Mönche einsperren. Sie gelobten danach zwar Besserung aber es wurde nicht wieder wie vorher. 

Als nächstes versuchten Vertreter des Windesheimer Generalcapitels den Streit zu schlichten. Sie trafen auch eine Vereinbarung mit Hero und versetzten den Abt Jakobus (vermutlich Jakob von Kleve) nach Sielmönken. Danach kehrte dann auch zwischenzeitlich Ruhe ein. Da das Grafenhaus keine Gelegenheit ausließ um Streitigkeiten z. B. zwischen Hero und seinem Halbbruder Ulrich von Dornum zu schüren, liegt der Verdacht nahe, dass man auch in Marienkamp die Hände im Spiel hatte. Schließlich bleibt ja noch die Frage offen, wie das 2. Missalbuch von Marienkamp in den Besitz der Cirksenas gekommen ist. Da es darüber keine urkundliche Eintragung gibt, scheidet ein offizielles Geschenk wohl aus. So bleiben nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder wurde es dem Grafen heimlich geschenkt, um auf diese Weise seinen Schutz zu erhalten oder es wurde ein Teil späterer Raubzüge, die Marienkamp und seine Vorwerke vor allem nach Beendigung der "Sächsischen Fehde" zu spüren bekamen.

Die Reformation hielt Einzug in Ostfriesland

Nach der Reformation (1517 Thesenanschlag von Martin Luther und der Reformation 1523-25 von Zürich durch Zwingli und Calvin), verbreitete sich diese neue protestantische Glaubenslehre sehr schnell in Ostfriesland.

Bereits 1520 wurde davon berichtet, dass erste Predigten im lutherischen Sinne abgehalten wurden. Ulrich von Dornum hat dann 1526 das Oldersumer Religionsgespräch geführt, mit dem das Nebeneinander der Katholiken und Protestanten geregelt werden sollte. Darüber verfasste er auch eine Dokumentation mit der Bezeichnung "Disputation zu Oldersum in der Grafschaft Ostfriesland - gehalten kurz nach Viti zwischen D. Laurenz, Jacobit aus Groningen und Magister Jürgen Aportanus, evangelischer Pastor zu Emden, in Sachen des christlichen Glaubens".

Gab es im Harlingerland anfangs noch die beiden Glaubensrichtungen mit Katholiken und Protestanten des lutherischen Glaubens, so kamen in dem Großraum Emden bis Leer noch etliche weitere Glaubensrichtungen, wie die nach Menno Simons benannten Menoiten, die Wiedertäufer und vor allem die der Calvinisten (Reformierte) aus dem benachbarten Holland hinzu. Hieraus entwickelte sich in der Folgezeit eine regelrechte Glaubensfehde, die Ostfriesland in zwei Lagern teilte. In den Kirchspielen des Harlinger- und Auricherlandes so auch in Esens und Fulkum wurden ab 1540 überwiegend Predigten im lutherischen Sinne gehalten. In der Region um Emden setzte sich dagegen der reformierte Glaube unter Johannes à Lasco durch, der auch den Emder Katechismus verfasste. Diese Glaubensteilung fand auch im Grafenhaus statt. Nachdem Enno II schon recht jung im Jahre 1540 verstorben war, hatte seine Witwe Anna zunächst die Regierung übernommen, bevor sie anschließend ihre Söhne gleichberechtigt als neue Regenten einsetzte. Von denen war der Ältere, Edzard II ein Lutheraner und Johann ein Reformierter. Dieser Glaubensstreit wirkte sich auch lähmend in der Regierungsarbeit aus. Die Dominanz des Grafenhauses ließ nach und es bildete sich eine Volksvertretung in Form einer Ständevertretung, die einen Landtag bildete. Nachdem Graf Johann verstarb, verschärften sich die Spannungen zwischen den nun allein regierenden Edzard II zu den Kirchenvertretern der Stadt Emden. Dieser Konflikt endete in der Emder Revolution von 1595 nach der Edzard II seine Residenz nach Aurich verlegen musste.

Im Harlingerland übernahm Balthasars Schwester Onna von Rietberg die Regentschaft

Da Balthasar selber kinderlos geblieben war, übernahmen seine Schwester Onna zusammen mit ihrem Sohn Johann von Rietberg 1540 die weitere Regierung über das Harlingerland nach seinem Tod und seiner Niederlage gegen die Bremer. Johann von Rietberg, Neffe von Balthasar war keine glückliche Wahl, denn der legte sich schon bald mit dem Grafen von Lippe an. Dies brachte ihm 1557 zunächst die Reichsacht und später die Gefangenschaft, an deren Folgen er früh verstarb. Nachdem auch Balthasars Schwester, Gräfin Onna von Rietberg vor Kummer gestorben war, übernahm die Witwe von Johann, Agnes von Bentheim vormundschaftlich die Regentschaft des Harlingerlandes. Aus der Ehe von Johann und Agnes entstammten die beiden Töchter Armgard und Walpurgis. Armgard vermählte sich 1571 mit dem Grafen Erich von Hoya. Dies führte dazu, dass dieser zunächst an die Stelle seiner noch unmündigen Schwägerin und Erbin des Harlingerlandes, Walpurgis, verwaltete.

Der ostfriesisch - harlingerländischer Streit schien sich endlich beizulegen, als Enno III. 1581 die Erbtochter des Harlingerlandes Walpurgis heiratete. Doch diese Ehe hielt nur fünf Jahre. Nach dem Tod ihres kleinen Sohnes Johann ist auch sie verstorben, wie es hieß an Vergiftung. So blieb Enno III. mit zwei unmündigen Töchtern zurück, die nach dem alten harlinger Recht nun die Erbansprüche besaßen. Erst im s. g. Berumer Vergleich einigte sich Enno III., der mitlerweile nach dem Tod seines Vaters Nachfolger in der Regentschaft von Ostfriesland geworden war, am 18.1.1600 finanziell mit seinen Töchtern, so dass von da an Ostfriesland und das Harlingerland auf Dauer vereinigt blieben.

Weitere Ereignisse des 16. Jahrhunderts.

1530 Was geschah nach dem Untergang von Kloster Marienkamp.

1538 fanden Verhandlungen zwischen Balthasar und Graf Enno auf Holtgaster Boden statt.

1540 wurde mit Ubbo Emmius in Greetsiel einer der größten Söhne von Ostfriesland geboren.

1545 wurde nach der Versandung der Harlebucht ein riesiges Landgewinnungsprojekt gestartet.

1560 verstarb der letzte Mönch aus Marienkamp im Groningerland

1564 wurde der spätere Pastor und Astronom David Fabricius in Esens geboren.

1575 verstarb mit Fräulein Maria die letzte Regentin der "Herrschaft Jever". In ihrem Testament vererbte sie ihr Land an das Oldenburger Grafenhaus und sorgte somit für eine dauerhafte Trennung der ostfriesischen Halbinsel.

Fortsetzung 1601 bis 1700