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Die Holtgaster Heimat-Geschichte

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Otzum

Quelle: Literaturverzeichnis

Vor der Sturmflut von 1362, die in die Geschichte als 2. Marcellusflut und im Volksmund wegen der vielen Toten als "Manndränke" eingegangen ist, gab es im Harlingerland noch einige Orte mehr.

Die alten Dörfer Otzum, Ost- und Westbense, Odendorf und Osterbur wurden nach vorangegangenen Naturkatastrophen Opfer der Nordseefluten. Otzum wurde bereits nach 1362 verlassen. Danach folgten Ostbense und Osterbur 1532 nach der dritten und Oldendorf und Westbense nach der vierten Allerheiligenflut von 1570.

Die vorangegangenen Sturmfluten forderten in den Orten große Opfer an Menschen, Vieh und Sachwerten. Dies führte jedoch nicht zu einem fluchtartigen Verlassen der lieb gewonnenen Heimat. Dieser Prozess vollzog sich langsam durch immer schlechter werdende Lebensbedingungen für die Bewohner. 

Entscheidend für die Aufgabe dieser Dörfer dürfte vor allem auch die Tatsache sein, dass sie seeseitig vor der neuen Deichlinie lagen, die nach diesen Sturmfluten gebaut wurde. Es ist davon auszugehen, dass viele Bewohner und besonders jüngere Generationen ihre Wohnstätten aufgaben und sich hinter dem Deich neue Existenzen errichteten. Dabei nahmen sie alles Brauchbare, Vieh und Wertsachen aus den verlassenen Orten mit. Es ist gut vorstellbar, dass die Älteren bis zu ihrem Lebensende in den teilweise verlassenen Orten ausharrten.

Bevor Häuptling Ulrich von Werdum 1530 starb, berichtete er in Aufzeichnungen an seine Hinter- bliebenen von Überresten des Dorfes Otzum, die er im Watt vor Seriem gesehen hatte und von Granitsteinen der Otzumer Kirche, die dort aus dem Watt herausragen würden.

In der Landesbeschreibung von B. Arends (Herausgegeben 1930 von Dr. H. Reimers) können wir lesen, dass die Fundamente der Kirche von Otzum 1909 noch sichtbar gewesen seien. Otzum hat gegenüber von Addenhausen etwa 2000 Schritt hinter dem Deich gelegen. 1781 waren bei Niedrigwasser noch Straßensteine zu erkennen.

Aber auch über die Existenz der untergegangenen Kirche von Oldendorf gibt es Hinweise. Der Geschichtsschreiber Andrèe gibt 1840 an, dass er Fundamentspuren  in der Ecke des Westerburer Polders außerhalb des Polderdeiches gefunden hat. Demnach ist der Flügeldeich des Polders über die alten Fundamente hinweg gebaut worden.

Axel Heinze, Leiter des Heimatmuseums Peldemühle in Esens, verbringt bei Ebbe fast jede freie Minute im Wattengebiet, um nach weiteren Spuren von Otzum und den anderen Dörfern zu suchen. Dabei hat er auch Granitsteine der Otzumer Kirche entdeckt, nachdem er zuvor Zeichen für eine ehemalige Besiedlung in der Gegend von Ostbense ausmachte.

Er fand überwiegend Hausmüll wie zerbrochene Keramik, Knochen oder Gebrauchsgegenstände und schließlich auch Gebeine von ehemaligen Bewohnern, die in dem Esenser Heimatmuseum „Peldemühle“ ausgestellt werden.

Die Tatsache, dass bislang keine wertvolleren Funde zu verzeichnen waren, werden als Indiz dafür gewertet, dass die Dörfer normal verlassen werden konnten und eine plötzliche Naturkatastrophe vermutlich nicht der alleinige Grund des Untergangs war.

Diese Theorie wird vor allem auch dadurch gestützt, dass die Ortsbezeichnungen Ostbense, Oldendorf und Osterbur gleich hinter der heutigen Deichlinie wieder auftauchen. Was aber passierte mit Otzum?

Otzum war ein sehr bedeutsamer und einflussreicher Ort. Durch die Wanderbewegung der Inseln und durch neue Deichbauten verlandeten die weiter im Binnenland liegenden Häfen und der Schiffsverkehr in die dorthin führenden Sieltiefs kam zum Erliegen. In dieser Zeit erlangte das südlich von Langeoog auf einer Landzunge in der Harlebucht liegende O., über einen größeren Zeitraum als wichtiger Hafen- und Umschlagsort für die Orte Werdum, Stedesdorf, Esens und dem weiteren Hinterland, eine Blütezeit.

Die Bedeutung dieses Ortes wurde auch dadurch deutlich, dass man das Seegatt zwischen Langeoog und Spiekeroog noch heute „Otzum Balje“ nennt. Ein weiteres Indiz für die Größe und Bedeutung von O. ist, dass es in allen alten ostfriesischen Karten als eigenständiges Kirchdorf eingezeichnet wurde. Die Tatsache, dass die Kirche aus teuren Granitquardern entstand, zeigt, dass die Bewohner in dieser Zeit sehr wohlhabend waren.

Man nimmt an, dass die damaligen Bewohner von O. nach Seriem gezogen sind, wo sie hinter dem neuen Deich mehr Schutz vor den Sturmfluten vorfanden. Hier gründeten sie neue Existenzen. 

Von Otzum und den anderen Orten gibt es heute keine sichtbare Spuren mehr. Sie wurden unter dem Schlick des Wattenmeeres durch die ständigen Gezeiten und spätere Sturmfluten für immer begraben.

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