Die Holtgaster Heimat-Geschichte |
Aurich Diese hatten sich Anfang des 13. Jahrhunderts in Emden festgesetzt, erreichten jedoch nicht volle Macht über Ostfriesland, sondern die Cirksenas als ihre Verbündeten - auch gegenüber Klaus Störtebeker und seinen Piraten. Als sich Hamburg 1433 aus Ostfriesland zurückzog, wurden die Brüder Edzard und Ulrich Cirksena dessen Verwalter. So entwickelte sich Aurich zum Mittelpunkt des nach ihm benannten Landes. Zusammen mit dem Brookmerland bildete Aurich eine selbständige Verwaltungseinheit. Nachdem zu Beginn des 16. Jahrhunderts Ostfriesland in einem Feldzug in Schutt und Asche gelegt wurde, begann Graf Edzard I. aus dem Hause Cirksena im Jahre 1517 den vollständigen Wiederaufbau der Stadt. Der Grundriss dieser Neuanlage bestimmt noch heute den Stadtkern. Im Jahre 1539 wurden alle Landesbehörden in Aurich zusammengezogen. Die Stadt wurde damit zur Hauptstadt der Grafschaft und des späteren Fürstentums Ostfriesland. Nach dem Ende des fürstlichen Hofes in Aurich im Jahre 1744 fiel Ostfriesland an das Königreich Preußen. Aurich blieb aber Sitz der Landesbehörden, erhielt eine Kriegs- und Domänenkammer und wurde Regierungshauptstadt der Preußischen Provinz Ostfriesland. In der Napoleonischen Zeit (1807-1810 holländisch,
1810-1813 französisch) war es Sitz des Präfekten. Während der Zugehörigkeit
zum Königreich Hannover (1815-1866) wurde Aurich Hauptstadt der Provinz
Ostfriesland und 1866 auch Garnisonsstadt. |
http://www.davier.de/wiarda.htm
Der rasch aufblühende Vieh- und Pferdemarkt ließ Aurich zum unbestrittenen Zentrum Ostfrieslands werden und machte es
weit über die Grenzen - bis in den Mittelmeerraum - berühmt.
Die Machtkämpfe der ostfriesischen Häuptlinge
- wie die Regenten bis Mitte des 15. Jahrhunderts hier genannt wurden - bescherten Aurich ein permanentes Auf und Ab: wechselnde Herren, Aufbau und wieder Zerstörung der von ihnen errichteten Bauwerke, Burgen und Befestigungsanlagen.
Die Blüte Aurichs unter den Cirksena, die seit 1464 einen richtigen Grafentitel trugen - sie bauten u. a. eine neue, stattliche Wasserburg an jener Stelle, wo heute das Schloß steht - mündet zu Beginn des 16. Jahrhunderts in die "Sächsische Fehde", wobei Aurich durch Feuer völlig zerstört wurde.
Handel und Handwerk gediehen prächtig.
Der Wiederaufbau Mitte des 16. Jahrhunderts zeigt schon gezielte städtebauliche Planung. Aus dieser Zeit stammt der Grundriß des Marktplatzes und die Anlage der heute noch erkennbaren Straßen und Gräben. In dieser Zeit wird Aurich auch Residenz - damit beginnt seine bis heute wichtige Funktion als Verwaltungs- und Behördenstadt.
Unter den rasch sich ablösenden späteren Herren Ostfrieslands
- im 18./19. Jahrhundert waren das immerhin Preußen, Holland, Frankreich, das Königreich Hannover - entstanden viele der heute noch sehenswerten Bauten, die größtenteils durch das wachsende Volumen an Verwaltungsaufgaben entstanden und in ihren oft prachtvollen Fassaden, Giebeln und Stuckdetails die wirtschaftliche Bedeutung der Funktion als Haupt- und seit 1866 zusätzlich Garnisonsstadt widerspiegelt.
Handel und Handwerk konnten hier - ganz anders als im ländlichen Raum - prächtig gedeihen.
Als friesische Handelsniederlassung an der Mündung der Eemese (Ems) wurde das mittelalterliche "Amuthon" um 800 n.Chr. gegründet. Dieser durch das fränkische Reich geschützte Handelsplatz und Warenumschlagsort steigerte seine Wichtigkeit um Mitte des 11. Jahrhunderts als Münzstätte enorm. Die erste urkundliche Erwähnung Emdens als Zollstätte geht auf das Jahr 1244 zurück. Die Häuptlingsfamilie der Cirksenas besetzte 1433 mit Hilfe der Hanse Emden. Graf Ulrich I. machte 1464 die Emder Burg zu seinem Amtssitz.
Zu einem Großhafen europäischer Bedeutung konnte Emden sich erst Mitte des 16. Jahrhunderts entwickeln. Dafür waren vor allem drei Faktoren entscheidend:
Infolge der Freiheitskämpfe in den Niederlanden strömten zwischen 1570 und 1600 mehr als 6.000 reformierte niederländische Flüchtlinge nach Emden. Durch die Aufnahme dieser Exulanten wurde Ostfriesland, insbesondere aber Emden, in dieser Zeit politisch, wirtschaftlich und religiös stark geprägt.
Im Jahr 1595, nach mehreren der Bevölkerung gegenüber ziemlich rücksichtlosen Steuererhöhungen und Gesetzen, setzten die Emder Bürger im Zuge der "Emder Revolution" den von dem Grafen Edzard II. eingesetzten Rat der Stadt ab und nahmen die gräfliche Burg ein. Edzard II. sah sich gezwungen, seine Residenz nach Aurich zu verlegen. Mit dem Vertrag von Delfzijl vom 15. Juli 1595 musste sich der Graf verpflichten, auf den Großteil seiner Rechte in Emden zu verzichten.
Die Niederlande unterstützten dieses Unternehmen, indem sie eine Schutztruppe nach Emden schickten, die erst 1744 nach dem Tod des letzten Cirksena und dem folgenden dem Übergang von Ostfriesland an Preußen wieder abzog. Emden erreichte als "Satellit" der Niederlande de facto die Stellung einer freien Reichsstadt und schloß sich mit dem reformierten Südwesten immer enger an die calvinistische Kirche der Niederlande an. Dadurch wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts niederländisch zur Standardsprache des gehobenen Bürgertums in Emden.
Ihre Blütezeit in Sachen Wirtschaft hatte die Stadt Emden im späten 16. Jahrhundert. Zwischenzeitlich kam es durch die Verlagerung des Flussbettes der Ems, die Bedeutung des Hafens wurde dadurch stark verringert.
Im 20. Jahrhundert wurde Emden im Zusammenhang mit Hafenneubauten zu einem bedeutenden Umschlagplatz für Massengüter. Die wohl größte Katastrophe, die jemals in Emden stattfand, war die Bombardierung durch alliierte Bomberverbände während des Zweiten Weltkrieges, als am 6. September 1944 über 80% des Stadtgebiets zerstört wurden.
Nach einer kurzen französischen Besetzung während der napolionischen Kriege
wird die gesamte Region dem Königreich Hannover zugeschlagen und gelangt mit
diesem 1866 wieder in den Besitz des Preußischen Reiches. Die Preußen
bestimmen Wittmund zur Kreisstadt des um das Amt Friedeburg erweiterten
Harlingerlandes und nehmen Esens damit weitere Funktionen.
Das schöne Bild der
friesischen Freiheit, wie es die ostfriesische Geschichtsschreibung
nennt, hat eine hässliche Kehrseite. Das bekannte Lied:
Hier
herrschte nie die Frone Hier war der Bauer Graf Wo aller Friesen Wahlspruch Ist: lever dot als Slav |
traf nur auf die besitzende
Bauernschicht zu. Die Landarbeiter die zeitlebens beim Bauern
arbeiteten, konnten - sobald sie "ihren Mund aufmachten" -
gehen. "Gehen" bedeutete gehen und verhungern. In den
fruchtbaren Marschgebieten Ostfrieslands hatten sich im 19. Jahrhundert
frühkapitalistisch ähnelnde Verhältnisse gebildet. Sie glichen denen
der Industriestädte. Wenige reiche Bauern geboten über ein Heer
besitzloser Landarbeiter. In Rysum, wo ca 800 Einwohner bis Kriegsende
wohnten, gab es 13 Bauern, denen etwa 600 Menschen auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert waren.
Das Essen bestand aus abgezählten
Kartoffeln, Buttermilch, Brot sowie Erbsen (manchmal mit Speck). Merkte
die Bäuerin, dass die Magd einmal mehr auf den Tisch stellte, wurde es
gleich wieder abgeräumt.
Die Wohnungen waren Bretterverschläge im
Kuhstall. Im Winter lag man neben den Kühen, um im Warmen zu schlafen.
Das Vorderhaus, in dem der Bauer wohnte,
bekam der normale Landarbeiter in seinem ganzen Leben nicht zu sehen.
Berechnungen aus den 20er Jahren ergaben, daß pro Landarbeiterperson
eine durchschnittliche Wohnfläche von 1,5 qm zur Verfügung stand. Das
Verhältnis zwischen Polderfürsten, wie die reichen Marschbauern
genannt werden, und den Landarbeitern wird durch Ausspruch: "De
Buern, de schull'n wi all ut hör Graff rutholen un noch mal doothauen"
mehr als verdeutlicht.
Die Lebensbedingungen
waren vielerorts noch unmenschlicher als beim Bauern in der Marsch. Es
entstand die Losung:
den ersten de dot
den tweden de not
den dreden dat brot.
Auszug aus der
Beschreibung der Wohnsituation in einem Moorkolonistenhaus in Stapelmoorerheide
um 1890: Tagein, tagaus lebte die Familie in einem Raum von 13
Quadratmetern, der Küche, Wohnstube und Schlafzimmer zugleich ist.
Die Fenster lassen sich nicht öffnen, der Herd qualmt. Sie haben nur
2 Butzen, - zwei Schlafplätze - für Großvater, Großmutter, Vater,
Mutter und drei Kinder (7, 5 und 3 Jahre). Die älteste Tochter und
der Jüngste schlafen bei den Großeltern in der Butze, das fünfjährige
Mädchen schläft bei den Eltern im Bett. Um die sittlichen Gefahren
abzuwenden, wurde insbesondere von der Kirche versucht, für die Großeltern
einen Platz im Armenhaus zu organisieren.
Die Grippewellen der folgenden Jahre, die in Europa wüteten, trafen
die ärmsten und schlecht ernährten Menschen am härtesten. In vielen
Familien der Moorkolonisten starben insbesondere die abwehrschwachen
Kinder. Der Tod schaffte Raum in den winzigen Gulfhäusern.
Selbst bis kurz vor der Niederkunft mußten sich viele Frauen während
der Ernte bei Bauern im Rheiderland als Binderin im Akkord verdingen,
um so ein paar Groschen für den Lebensunterhalt dazuzuverdienen.
Dieses zusätzliche Geld wurde u. a. dazu verwendet, um eine
Steinmauer um das Gulfhaus zu setzen, damit es nicht weiter durch die
morschen Bretter regnete. Heu und Geräte verrotteten im Gulfhaus.
Als nahezu verschwenderische Investition wurde vordergründig die
Anschaffung eines Fahrrades angesehen. Im Nebenverdienst wurden Besen
aus Heide hergestellt. Mit einem Fahrrad konnte man im Sommer an einem
Tag bis Papenburg, Leer oder sogar bis Emden fahren, um dort die
besseren Marktchancen zum Verkauf zu nutzen.
In vielen Familien schaffte man es jedoch erst in der dritten
Generation sich eine Mauer um das Lehmhaus zu setzen. Dies geschah
nicht selten erst um 1930.
Die Landstände
Schon 1595 revoltierten Emder Bürger gegen das Grafenhaus. Im Vertrag von
Delfzijl mußte Graf Edzard II. ihnen große Freiheiten zugestehen. Nach
heftigen Streitereien konnten auch die Stände sich vom gräflichen Einfluß
weitgehend befreien, was im Osterhusischen Accord (1611) besiegelt wurde.
Danach war der Graf weitgehend mittellos, die Stände hatten ihm das Steuerwesen
entzogen. Die Niederländer unterhielten in Emden und Leerort eine Besatzung,
der Graf verlegte seine Residanz nach Aurich. Diese ungewöhnliche Macht der
Landstände fand ihre Bestätigung durch die Verleihung eines eigenen Wappens
durch Kaiser Maximilian im Jahre 1678.
Im 17. und 18. Jahrhundert gab es immer wieder Streitereien zwischen den Ständen
und der Landesherrschaft und die Versuche des Kanzlers Brenneysen (+1734), den
Absolutismus wieder zu stärken, scheiterte an der Macht der Stände.
Nach
dem ´Tod von Carl Edzard am 26. Mai 1744 gab es keinen Erben für das Fürstentum.
Viele Jahre vorher hatte Preußen sich für diesen Fall die Rechte an dem Fürstentum
vertraglich gesichert. So war Ostfriesland von 1744 bis 1815 preußische
Provinz.
Im Jahre 1765 erließ König Friedrich der Große von Preußen das
Urbarmachungsedikt. Damit wurde das bis dahin und seit Jahrhunderten gültige
friesische Upstreeksrecht annulliert. Nicht besiedelte Ödlande wie die
ostzfriesischen Moore und Heiden wurden als Eigentum der Krone deklariert. Diese
Gebiete wurden für Siedlungswillige zur planmässigen Besiedlung freigegeben
und es entstanden zahlreiche Moorkolonien,
teils als Fehnkolonie, teils ohne Anlage eines Fehns.
Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die Politik und die Feldzüge Napoleons Europa
erschüttert. Infolge der europäischen Neuordnung durch den Wiener Kongreß
gelangte Ostfriesland 1815 zum Königreich Hannover. Die hannoversche Zeit war
geprägt von wenig Einsatz der Landesherren für diese Provinz. Beamte fanden
die Versetzung nach Ostzfriesland als Verbannung und trachteten, schleunigst
wieder versetzt zu werden. König Ernst August von Hannover besuchte während
seiner 14-jährigen Amtszeit Ostfriesland lediglich einmal. Sein Sohn und
Nachfolger, Georg V. liebte das Seebad Norderney und besuchte es jährlich.
Im Jahr 1866, nach der Auflösung des Königreiches Hannover, gelangte
Ostfriesland wieder zu Preußen. Unter anderem brachte der Ausbau des Emder
Hafens und der Bau des Kriegshafens Wilhelmshaven viele Vorteile für
Ostfriesland.
Ostfrieslands mittelalterlicher Reichtum, basierend auf der Viehzucht und den
Gewinnen aus dem Viehhandel, kam durch verheerende Viehseuchen im 18.
Jahrhundert abhanden. Diese Seuchen waren der Grund für die Verarmung
Ostfrieslands, nicht die von Mansfelder Truppen im 30-jährigen Krieg
abgeschlachteten Viehbestände. Nach diesen Seuchen gingen ostfriesische Bauern
über zum Körneranbau. Nach dem Ende der napoleonischen Zeit verfielen aber die
Getreidepreise unaufhaltsam. Deshalb erlang die Viehzucht wieder größere
Bedeutung und Ostfriesland wurde auf diesem Sektor führend in ganz Deutschland.
Im Jahre 1878 wurde vom Landwirtschaftlichen Hauptverein ein Stammbuch
eingerichtet. Im Jahre 1883 gründete sich der Verein Ostfriesicher Stammviehzüchter,
der noch heute existiert. Ähnliche Umstände ließen im Jeverland 1878 ein
Herdbuch entstehen, seit 1939 ist dieses dem ostfriesischem Herdbuch
angeschlossen.
Während des 2. Weltkrieges hatte insbesondere die Stadt Emden unter
Bombenangriffen zu leiden. Der Hafen blieb unbeschädigt, die Altstadt aber mit
dem mittelalterlichen Rathaus wurde ein Opfer der Bomben. Gegen Ende des Krieges
drangen von Süden kommend alliierte Truppen in Ostfriesland ein und standen bei
Abschluß des Waffenstillstandsvertrages vor den Toren Aurichs. Britische
Truppen besetzten ganz Ostfriesland. Nach der Auflösung Preußens durch die
Alliierten wurde Ostfriesland ein Teil des neu gegründeten Landes
Niedersachsen. Ostfriesland bestand praktisch als Regierungsbezirk Aurich
weiter, doch im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform fiel es zum neu gegründeten
Bezirk Weser Ems.