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Die Holtgaster Heimat-Geschichte

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Otzum

Quelle: sh. Literaturverzeichnis

Otzum war einmal ein sehr bedeutsamer und einflussreicher Ort. Durch die Wanderbewegung der Inseln und durch neue Deichbauten verlandeten die weiter im Binnenland liegenden Häfen und die dorthin führenden Sieltiefs, so dass Schiffsverkehr immer beschwerlicher wurde. In dieser Zeit erlangte das südlich von Langeoog auf einer Landzunge in der Harlebucht liegende O., über einen größeren Zeitraum als wichtiger Hafen- und Umschlagsort für die Orte Werdum, Stedesdorf, Esens und dem weiteren Hinterland, eine gewisse Blütezeit.

Die frühere Bedeutung von O. wird auch dadurch deutlich, dass man das Seegatt zwischen Langeoog und Spiekeroog noch heute „Otzum Balje“ nennt. Man findet O. auch in allen alten ostfriesischen Karten als eigenständiges Kirchdorf. Die Tatsache, dass die Kirche damals schon aus teuren Granitquardersteinen bestand, deutet darauf hin, dass die Bewohner in dieser Zeit sehr wohlhabend waren.  

Das Glück der Bewohner von Otzum und anderen Orten an der Küsten und auf den Inseln nahm mit der Sturmflut von 1362, die in die Geschichte als 2. Marcellusflut und im Volksmund wegen der vielen Toten als "Manndränke" eingegangen ist, ein jähes Ende. Über Nacht wurden viele Existenzen vernichtet und die Opfer an Menschen, Vieh und Sachwerten war groß.

Doch die zähen Küstenbewohner ließen sich nicht so schnell unterkriegen und begannen mit dem Wiederaufbau. Doch schon 12 Jahre später erfolgte eine weitere Sturmflut mit ähnlichen Auswirkungen. Danach wurde zum Schutz des Binnenlandes eine neue Deichlinie hinter dem Dorf Otzum gebaut. Wer den schutzlosen Ort bis dahin noch nicht verlassen hatte, wird spätestens zu diesem Zeitpunkt seine sieben Sachen gepackt haben um sich im Schutz des neuen Deiches eine neue Existenz zu gründen. 

Nach diesen beiden Sturmfluten blieb das Land über 150 Jahre von weiteren Naturkatastrophen verschont. Deshalb blieben die Bewohner von Odendorf und Osterbur noch bis 1532 sowie Ost- und Westbense bis 1570 in ihren Dörfern. Aber nach der dritten und vierten Allerheiligenflut gaben auch sie auf.

Die vorangegangenen Sturmfluten waren aber wohl nicht der alleinige Grund der Aufgabe dieser Orte. Im Laufe der Zeit hatten sich dort die Lebensbedingungen insgesamt verschlechtert, so dass jüngere Generationen bereits die Orte früher verließen. Dabei nahmen sie alles Brauchbare, Vieh und Wertsachen aus den verlassenen Wohnplätzen mit. Es ist gut vorstellbar, dass die Älteren noch über viele Jahre oder bis zu ihrem Lebensende in den teilweise verlassenen Orten ausharrten.

Die Ortsbezeichnungen Odendorf, Osterbur, Ost- und Westbense finden wir heute auch noch hinter der Deichlinie wieder, so dass man davon ausgehen kann, dass die Bewohner der untergegangene Dörfer dorthin zogen. Man nimmt an, dass die Bewohner von Otzum überwiegend in Seriem ansiedelten.

Weitere Hinweise zu diesen Orten.

Bevor Häuptling Ulrich von Werdum 1530 starb, berichtete er in Aufzeichnungen an seine Hinter- bliebenen von Überresten des Dorfes Otzum, die er im Watt vor Seriem gesehen hatte und von Granitsteinen der Otzumer Kirche, die dort aus dem Watt herausragen würden.

In der Landesbeschreibung von B. Arends (Herausgegeben 1930 von Dr. H. Reimers) können wir lesen, dass die Fundamente der Kirche von Otzum sogar um 1909 noch sichtbar waren. Der Ort Otzum hat gegenüber von Addenhausen, etwa 2000 Schritt hinter dem Deich gelegen. 1781 waren bei Niedrigwasser noch Straßensteine zu erkennen.

Aber auch auf die Existenz der untergegangenen Kirche von Oldendorf gibt es Hinweise. Der Geschichtsschreiber Andrèe gibt 1840 an, dass er Fundamentspuren  in der Ecke des Westerburer Polders außerhalb des Polderdeiches gefunden hat. Demnach ist der Flügeldeich des Polders über die alten Fundamente hinweg gebaut worden.

Axel Heinze, Leiter des Heimatmuseums Peldemühle in Esens, verbringt bei Ebbe viel Zeit im Wattengebiet, um nach weiteren Spuren von Otzum und den anderen Dörfern zu suchen. Dabei hat er auch Granitsteine der Otzumer Kirche entdeckt, nachdem er zuvor Zeichen für eine ehemalige Besiedlung in der Gegend von Ostbense ausmachte.

Er fand überwiegend Hausmüll wie zerbrochene Keramik, Knochen oder Gebrauchsgegenstände und schließlich auch Gebeine von ehemaligen Bewohnern, die in dem Esenser Heimatmuseum „Peldemühle“ ausgestellt werden.

Die Tatsache, dass bislang keine wertvolleren Funde zu verzeichnen waren, wird als Indiz dafür gewertet, dass die Dörfer normal verlassen werden konnten und eine plötzliche Naturkatastrophe vermutlich nicht der alleinige Grund des Untergangs war.

Von Otzum und den anderen Orten gibt es heute keine sichtbare Spuren mehr. Sie wurden unter dem Schlick des Wattenmeeres, durch die Gezeitenwechsel und durch spätere Sturmfluten für immer begraben.

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