Schwere Sturmfluten und Verlust der ostfriesischen Eigenständigkeit im 18. Jahrhundert.

In der Gemeinde Holtgast wurde das Schulwesen eingeführt

Beginnend mit dem Jahr 1700 wurden in Fulkum und sicherlich auch nicht viel später in Holtgast und Utgast sowie 1765 auch in Damsum in Trägerschaft der Kirchen von Fulkum und Esens erste s. g. lutherische Dorfschulen gegründet. Diese Schulen begannen anfangs vielfach als Winterschulen, weil die Kinder in den Sommermonaten auf den elterlichen Höfen mit anpacken mussten. Als Schullokal dienten alle möglichen leer stehenden Räumlichkeiten, denn erste Schulen wurden in der Regel erst hundert Jahre später erbaut. So finden wir Hinweise darauf, dass in Holtgast und Damsum zunächst ein Backhaus als Schullokal diente. In Ochtersum nutzte man sogar den Kirchturm für die Unterbringung der Schulkinder.
Bislang ist noch nicht bekannt, wo die Kinder von Fulkum und Utgast anfangs eingeschult wurden.

In den Dörfern bildeten sich s. g. Schulgemeinden. Dies waren Elterngemeinschaften die auch einen Schulvorstand bildeten. Dieser Schulvorstand regelte alle schulischen Dinge in Absprache mit der Kirche. Dabei ging es um die Einstellung bzw. Entlassung der Lehrer, deren Bezahlung sowie alle organisatorischen Gegebenheiten. Ausgebildete Lehrer gab es im 18. Jahrhundert noch nicht. Die Bewerber mussten zunächst ihre Fähigkeiten beim Pastor nachweisen, bevor sie sich bewerben durften. Kein Wunder, dass anfangs Religion das wichtigste Unterrichtsfach war. 

In Holtgast, das damals noch "Holtgaste" hieß, gab es um 1700 erst wenige Häuser. Deshalb war die Schulgemeinde auch verhältnismäßig klein.

Die Weihnachtsflut von 1717 gehörte zu den schlimmsten Sturmfluten an der Küste. 

Wenn bei uns an der Küste über verheerende Sturmflutkatastrophen gesprochen wird, dann gehören neben der Marcellusflut von 1362 und der Allerheiligenflut von 1570, bestimmt auch die Weihnachtsflut von 1717 mit dazu. Vielleicht machte die letztere deshalb so betroffen, weil sich die Menschen auf ein friedvolles Weihnachtsfest gefreut hatten und sich hinter deutlich erhöhten Deichen inzwischen sicher fühlten. Der Orkan drehte aber in der Nacht vom 24. auf dem 25. Dezember plötzlich auf Nord-West und drückte riesige Wassermassen gegen die Küste. Dadurch brachen reihenweise Deiche, so dass bis auf höher liegenden Geestflächen, ganz Ostfriesland überflutet wurde. Dabei spielten sich grauenvolle Ereignisse und Tragödien ab. Die Schäden stiegen ins unermessliche und man brauchte viele Jahre um sich von dieser Flut und weiteren Überschwemmungen in den darauf folgenden Jahren zu erholen.


1717 Schwere Sturmflut -  Die Weihnachtsflut vom 24./ 25.12. war mit 4,03 m über NN eine der schlimmsten, bisher bekannten Sturmflutkatastrophen in Ostfriesland. 

1718 Schwere Sturmflut - Schon 2 Monate später folgte in der Nacht vom 25. zum 26. Februar die nächste Sturmflut. Diesmal wurde ein großer Teil von Ostfriesland so sehr mit Salzschlick überschwemmt, dass das Wintergetreide erstickte. 

1720 Schwere Sturmflut - Bei der Silvesterflut vom 31.12. gingen die Dörfer Bettewehr II und Itzendorf verloren. Außerdem ertranken in ganz Ostfriesland zahlreiche Tiere.

1721 Schwere Sturmflut - Diesmal wurden wiederum Baltrum und Langeoog durch die Sturmflut besonders schwer beschädigt. Die Insel Langeoog wurde nach dieser Flut von den letzten Bewohnern verlassen. Zwei Jahre danach haben sich dann einige Helgoländer auf der Insel niedergelassen.


Aber auch die Bauern hatten unter den Folgen dieser Sturmfluten sehr zu leiden, wie wir an der Geschichte des Platzes "Mosishütte" sehen können.

Einige fürstlichen Entscheidungen erregten die Gemüter seiner Untertanen.

1708 trat Fürst Georg Albrecht nach dem Tod seines Vaters die Nachfolge an. Aus seiner Zeit stammen einige Verordnungen, die das Volk erregte. Dazu gehörte z. B. die Verordnung gegen dass Verläuten bei Beerdigungen im Jahre 1711. Wenn auch gewisse Auswüchse in den Beerdigungsritualen festzustellen waren, empfanden die Bewohner dies Verbot als ungerecht. Daraus entwickelte sich im Amt Esens ein kleiner Aufstand an denen sich auch die Utgaster und Holtgaster beteiligten.

In der Zeit von 1724 bis 1727 gab es in Ostfriesland sogar einen Bürgerkrieg, der in die Geschichte als Appellekrieg einging. Ursache dafür waren Streitigkeiten zwischen dem Fürsten und der Ständevertretung um die Steuerhoheit des Landes. Während die lutherischen Landesteile die Verordnungen des Fürsten akzeptierten, opponierten die reformierten Landesteile dagegen, so dass es schließlich zu Schießereien und Straßenkämpfen kam, an denen sogar die Esenser Schützen- compagnie beteiligt war.

Ein weiteres Verbot betraf die Friesensportler im Jahre 1731. Auch in diesem Fall hatte es seine Bewandtnis dadurch das Trinkgelage und anschließende Schlägereien unliebsame Begleiterscheinungen dieses Sports waren. Aber auch dieses Verbot wurde ignoriert.

1734 verstarb der gestrenge Fürst Georg Albrecht. Ihm folgte der erst 18 jährige Carl Edzard, als letzter Regent des bis dahin freien Ostfriesland. Da seine Ehe kinderlos blieb, gab es nach seinen Tod 1744 keinen legitimen Erben der Cirksenas mehr. Nun griff der Vertrag auf die Lehns-Anwartschft zu Gunsten von Preußen.

Ostfriesland wurde 1744 eine preußische Provinz.

Auch wenn die ostfriesische Ständevertretung weitestgehend seine Befugnisse unter der neuen Herrschaft behielt und damit weiterhin die Funktion eines Landtages ausüben konnte, brachte die neue preußische Zugehörigkeit viele Veränderungen mit sich. Diese wirkte sich vor allem für Esens negativ aus. Denn die Stadt verlor nicht nur seinen Status als 2. Residenz für Ostfriesland, sie musste obendrein auch noch viele Behörden abgeben. Besonders weh tat, dass auch die Münze im Jahre 1746 nach Aurich verlegt wurde. Dies blieb natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Umfeld der Stadt.

In der neuen preußischen Zeit besuchte auch Friedrich II, den man später den Großen nannte, 1751 und 1755 Ostfriesland. Zu den gravierendsten Änderungen gehörte wohl die Verfügung, dass alle Burgen und Schlösser sowie Befestigungsanlagen von Ostfriesland, die nicht in Privatbesitz waren, abgebrochen werden mussten. Davon war Esens 1764 ein zweites Mal sehr nachteilig betroffen, denn auf diese Weise verlor die Stadt sein markantes Erkennungsbild.

Durch sein Urbarmachungsedickt von 1765 wurden viele "Gemeine Weiden"  wie z. B. in Holtgast zur Kolonisierung und Besiedlung freigegeben. Dies führte auch zur Kultivierung weiterer Moorflächen. 1771 wurde im benachbarten Wagnersfehn ebenfalls ein Versuch unternommen, um dort Kolonisten anzusiedeln.

Mit einem weiteren Dekret hatte der "Alte Fritz" weniger Erfolg. Denn seine Verordnung von 1778 mit dem der devisenträchtige Import von Tee und Kaffe unterbunden werden sollte, fand wenig Beachtung, denn die Ostfriesen ließen sich ihr "Köpke Tee" nicht verbieten.

Dafür geht aber der Kartoffelanbau auf die Zeiten des preußischen Königs zurück. Und dann finden wir auch noch einen Hinweis, dass der "Alte Fritz" um 1780 unbedingt seine Butter nach ostfriesischer Art zubereitet haben wollte. Aus einem Amtsvermerk von Esens ist zu entnehmen, dass diese Aufgabe höchstwahrscheinlich von einer Mosishütter Bäuerin wahrgenommen wurde.

Zum Ende des Jahrhunderts erhielt Holtgast die erste und einzige Ziegelei im Amte Esens.

In der freien und gemeinen Weide von Holtgast, die sich vom "Alten Klostertief / Reihertief" bis westlich im Bereich "Splitt" erstreckte, fand der Schneidermüller Frerich Mammen im Bereich des heutigen Ziegelhofes Ton. Da weiter südlich hinter dem Wald auch große Moorflächen vorhanden waren, aus denen man das nötige Torf zum Beheizen der Brennöfen gewinnen konnte, stellte er 1796 bei der Domänenkammer einen Antrag für den Betrieb einer Ziegelei. Geschickter Weise verband er diesen Antrag gleich mit der Forderung nach einem Privileg, mit dem ihm als einzigem im Alten Amt Esens gestattet werden sollte, für den hiesigen Bereich die Steine zu brennen.

So kam Holtgast zu seiner ersten industriellen Fertigungsanlage, die in der Folgezeit annähernd 100 Jahre lang manchem Bewohner des Ortes Lohn und Brot brachte. Heute erinnern noch der Name "Ziegelhof" sowie die Straßenbezeichnungen "Lehmweg" und "Tichelweg" an diese Zeit.

Weitere Ereignisse dieses Jahrhunderts in Holtgast und "Umzu".

1700 Im 18. Jahrhundert bedrohten Piraten immer noch den Seehandelsverkehr auf der Nordsee.

1738 erlitt der Utgaster Gerd Harms einen Unfalltod durch einen Schuss.

1749 wurde das Emder Stapelrecht durch die Preußen aufgehoben. Dafür bekam die Stadt aber einen Freihandelshafen.

1780 gab es einen großen Raubbau auf den Muschelbänken. Dies sollte durch Wachboote verhindert werden.

1780 wurde am Heyungshaus bei Esens eine Sägemühle errichtet.

1790 - 93 wurde in den Moorgebieten zwischen den Ämtern Esens und Aurich der s. g. "Buchweizenkrieg" geführt. 

1790 wurde der Pranger für Enthauptungen und Auspeitschungen auf dem Esenser Markt abgebrochen.

1794 fiel das Jeverland an Russland. Katharina d. Gr. wurde neue Landesherrin.

1797 gab die statistisch-topographische Beschreibung des Amtes Esens einen interessanten Einblick in die damalige Zeit. 

1798 wurde auf Norderney das erste Seebad an der Nordseeküste errichtet.

1799 entstand der Treckfahrtskanal zwischen Aurich u. Emden als Vorgänger des späteren Ems-Jade-Kanals.

Fortsetzung 1801 bis 1900