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DerFriesensport

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Die älteste, bekannte Sportart ist das Klootschiessen. Dies Spiel hat seit Jahrhunderten seinen Ursprung in einer von Generation zu Generation übertragenen u. weiterentwickelten Kampfsportart an der Nordsee-Küste.

Man nimmt an, dass die ersten Wurfgeschosse aus Lehm oder Klei geformt u. in der Sonne oder im Feuer getrocknet bzw. gebrannt wurden. Mit diesen "Kluten" versuchte man Eindringlinge, wie Seeräuber oder Eroberer zu vertreiben. Dies soll bereits der römische Geschichtsschreiber Tacitus (55 bis 120 n. Chr.) seinem Kaiser berichtet haben.

Es gibt zudem auch Hinweise darauf, dass mit Hilfe von Kluten die an einer langen Leine befestigt waren, Treibholz aus dem Wasser geborgen wurde.

Die Erfindung von Feuerwaffen haben den Einsatz der Kluten später entbehrlich gemacht, so dass die erlernten Wurftechniken nur noch in Wettkämpfen angewendet wurden.

Mehrfach mussten früher Militär oder Gendarmerie die bei den Spielen entstandene Unruhen schlichten. So wird nach einer Eintragung in dem ältesten vorhandenen Landgerichtsklagebuch davon berichtet, dass 1510 in Emden ein unachtsamer Werfer, einem Wirt den Kloot an den Kopf geschossen habe.

Später wurden bei den Wettkämpfen auch um Tonnen von Bier u. Krügen voll Schnaps gewettet. Daraus entstanden nicht selten Saufereien u. Prügeleien bei den Zuschauern u. den Aktiven. Dies führte letztlich dazu, dass der Fürst Georg Albrecht, Fürst zu Ostfriesland u. Herr zu Esens, Stedesdorf u. Wittmund, am 9. Februar 1731 einen Erlass verkündete, in dem von da an das Klootschiessen unter Androhung hoher Geldstrafen untersagt wurde.

Dieser Erlass u. auch eine spätere Verfügung von der Jeverschen Regierung von 1789, in dem sogar Gefängnisstrafen angedroht wurden, konnte die Friesen nicht davon abhalten, diese Sportart weiter zu betreiben. So wurde sie schließlich auch von der Obrigkeit stillschweigend geduldet.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich zusätzlich zum Klootschiessen das Bosseln entwickelt. Dies ging vielfach einher mit dem Ausbau von befestigten Strassen. Das Bosseln entwickelte sich aus dem Kegeln. Die Kegelbahnen befanden sich früher häufig im Freien u. vor allem bei Wirtshäusern. Nun war die Versuchung groß, die Kegelkugel nicht nur auf der Bahn, sondern auch auf der neu erbauten Strasse zu benutzen. 

Gründung der Vereine u. des friesischen Klootschiesserverbandes.

Zur gleichen Zeit, als in Deutschland die ersten Sportvereine gegründet wurden, schlossen sich nach u. nach auch die Bossler u. Klootschiesser in Vereinen zusammen. 

Mit der Gründung des Friesischen Klootschiesserverbandes am 25. Mai 1902 begann für das Friesenspiel einen neue Epoche. Einer der wesentlichen Satzungspunkte des Verbandes ist neben dem Friesensport auch der Heimatgedanke mit dem Ziel, die friesischen Sitten u. Gebräuche u. die plattdeutsche Muttersprache zu pflegen u. zu erhalten.

1908 ist das Geburtsjahr des ersten Vereins im Gemeindegebiet

Bei der Gründungsversammlung trafen sich in Utgast Friesensportler aus Fulkum, Holtgast u. Utgast. Der Verein erhielt den Namen "He kummt" (Er kommt).

Im Jahre 1920 trennte man sich u. in Fulkum wurde der Verein "Germania" u. in Utgast der Verein "Fresena" gegründet. Holtgast behielt den Namen "He kummt".

In der Zeit bis zum 2. Weltkrieg fanden vor allem Klootschiesserwettkämpfe statt. Höhepunkte dabei waren vor allem die großen Feldkämpfe zu Nachbarverbänden wie z. B. gegen Buttjardingen.

Während im 2. Weltkrieg der Friesensport zum Erliegen kam, wurde danach wieder sehr schnell damit begonnen. Allerdings trat von dort an der Bosselsport immer stärker in den Vordergrund. Wurde bei den Wettkämpfen anfangs noch um 5 Mark, eine Flasche Schnaps oder eine Urkunde geworfen, so folgten in den 60er Jahren bereits Meisterschaften.

Hier tat sich besonders der Verein "He kummt" Holtgast hervor. Nachdem man bereits 1962 u. 63 Kreismeister wurde, konnte er 1963 als erster Verein in Ostfriesland die Landesmeisterschaft erringen. Als Vertreter Ostfrieslands gewannen er dann auch noch gegen den oldenburgischen Vertreter Osterforde die Würde des Friesischen Meisters. Dies ist  die höchste Auszeichnung, die im Friesensport vergeben wird.

Während im folgenden Jahr die Vizemeisterschaft errungen wurde, stand man 1969 noch einmal ganz oben auf dem Treppchen.

Der Bosselsport nahm 1969 durch die Einführung einer Landesliga über den bisherigen Kreisligen einen weiteren Aufschwung.

1972 wurde im Holtgaster Verein eine Damenabteilung gegründet, die von da an ebenfalls große Erfolge erzielen konnte.

Dem Bosselsport als Breitensport, der mittlerweile von Jugendgruppen bis in Altersabteilungen von über 65 Jahren betrieben wird, ist es zu verdanken, dass im Kreis Wittmund über 50% der Einwohner beim Niedersächsischen Sportbund gemeldet sind. Damit nimmt der Kreis eine einsame Spitzenposition ein.

Neben dem Klootschiesser- u. Bosslersport wurde nun auch der Friesische Mehrkampf entwickelt. Dies ist eine Kombination aus beiden Sportarten bei dem aber zusätzlich der Schleuderball geworfen wird.

Die Friesensportler treffen sich aber auch international. Der Friesische Verband aus Niedersachsen trifft sich dort mit Verbänden aus Schleswig-Holstein , Irland, Holland u. neuerdings aus Nord-Italien um alle 4 Jahre die Europameister in den einzelnen Wertungen zu ermitteln.

Egal ob bei den Klootschiesserländerkämpfen mit dem benachbarten Oldenburg, beim Bosseln oder Mehrkampf, bei den deutschen Meisterschaften im Schleuderball oder bei den Europameisterschaften - Friesensportler aus dem Gemeindegebiet von Holtgast waren meist immer vertreten u. errangen große Erfolge.

Dem bekanntesten unter den Friesensportlern, der Klootschiesserlegende Gerd Gerdes - auf dem Bild  in voller Aktion, wurde in seinem Heimatdorf Utgast ein Denkmal gewidmet.

(Als Sportbekleidung dienten damals die Unterwäsche u. bloße Füße)

Der Platz des dortigen Klootschiesserleistungszentrums trägt ebenfalls seinen Namen.

Ihm gelang am 18. März 1934 mit 101,50m bei einem Standwettkampf ein Fabel- Weltrekord, der erst 51 Jahre später überboten wurde.

Weitere aktuelle Informationen finden Sie  auf den Homepages der ortsansässigen Vereine, wie z. B. beim KBV Utgast oder dem KBV Holtgast, sowie auf den Internetseiten mit Ergebnisdienst des Kreisverbandes VIII, Esens.

Der obige Bericht wurde größtenteils aus Aufzeichnungen von Hillrich Reents ("Anzeiger" vom 24.7.93 u. Helmuth Ihnen (Festschrift 75 Jahre "He kummt" von 1983) zusammengestellt.

Hans-G. Hunger